Fachberatung in Erziehungsstellen nach §34 SGB VIII – aus Sicht einer Erziehungsstelle
Konstrukte und Arbeitsbeziehungen in Familiensystemen
Michael Husen, Nov 2004
Die tägliche Erziehungsstellen Arbeit ist davon geprägt, ein sehr komplexes Feld zu sein, viele Interessen und Parteien möchten Einfluß nehmen und mitbestimmen und über allem steht der Anspruch, dass unsere Arbeit in erster Linie dem Wohl des aufgenommenen jungen Menschen dienen soll. Ein nicht unerheblicher Teil unserer Erziehungsstellenarbeit besteht daher auch darin, sich zurückzunehmen, immer wieder Distanz zu schaffen und zu reflektieren, was für Interessen und Bedürfnisse das Kind, die Herkunftsfamilie, das Jugendamt, die Aufsichtsbehörden und nicht zuletzt auch die Einrichtung und andere weitere Beteiligte haben.
Manchmal kommt dabei das Gefühl auf, wo bleibt eigentlich die Erziehungsstelle mit ihren Bedürfnissen und Lebens- und Arbeitsbedingungen?
Ich möchte hier einmal die übliche Hierarchie von Einrichtung auf den Kopf stellen, um den Rahmen zu hinterfragen, in dem Erziehungsstellen leben und arbeiten und daraus die Formen der Zusammenarbeit mit der Fachberatung und ihre „Serviceleistungen“ abzuleiten, die die Erziehungsstellen für ihre Basisarbeit benötigen.
* Im folgenden verwende ich dabei in der Regel den Begriff „Fachberatung“, als einen geschlechtsneutralen Begriff, spreche damit aber selbstverständlich beide Geschlechter an.
Für Erziehungsstellen sind 2 Rahmenbedingungen von zentraler Bedeutung, die auch die Zusammenarbeit von Fachberatung und Erziehungsstelle entscheidend bestimmen
und zwar 1., dass Erziehungsstellen öffentliche und professionelle Erziehung in einem privatem Rahmen leisten und
2. dass Erziehungsstellen den aufgenommenen jungen Menschen einen Platz in ihrem familiären System und sozialen Netz anbieten und sich an „normale“ lebensweltliche Bezüge orientieren
Nun zum 1. Punkt:
1) Erziehungsstellen leisten öffentliche und professionelle Erziehung in einem privatem Rahmen
Erziehungsstellen übernehmen die Betreuung und Erziehung von jungen Menschen im öffentlichen Auftrag. Hilfen zur Erziehung sind als Rechtsanspruch verankert und – bedürfen damit einer öffentlichen Kontrolle und Legitimation. Erziehungsstellen, die nach § 34 SGB VIII arbeiten, gehören rechtlich als „ sonstige betreute Wohnform“ zur stationären Jugendhilfe. Durch fachliche Qualifikation und Anwendung von professionellem pädagogischen „Handwerkszeug“ soll eine entsprechende Qualität und Professionalität dieser Arbeit gewährleistet werden.
Andererseits steht ihre praktische Tätigkeit und die Form des Zusammenlebens der Tradition der Pflegefamilie , also eines familiär geprägten Zusammenlebens, ebenso nahe. So bieten Erziehungsstellen nach § 34 zwar „Plätze“ an, dennoch sind diese Plätze nicht personenunabhängig, sondern sind immer mit Beziehungen, und nicht ersetzbaren Menschen innerhalb eines Familiensystems verknüpft.
Erziehungsstellen sind daher auch Familien und auch für sie gilt:
Familie ist auch der Ort, an dem „Privatheit“ und Intimität herrscht und in der Kontrolle und staatliche Eingriffe nur in sehr engem Rahmen zulässig sind.
Familie ist ebenfalls eine bestimmte gesellschaftliche Idealvorstellung und Norm, die in unseren Köpfen, wie auch in denen unserer aufgenommenen jungen Menschen steckt und die primäre Sozialisationsagentur, die faktisch heutzutage eine sehr bunte Vielfalt von Formen des Zusammenlebens beinhalten kann.
Auch Erziehungsstellen haben eine Privatsphäre, denn hier gestaltet sich das ganz persönliche Leben der Familienmitglieder, die Paarbeziehung der Lebens- oder Ehepartner, die Familienbeziehungen, die weitere Familienplanung, bis zur Selbstverwirklichung durch Arbeit, Hobbies, Freizeitgestaltung usw. .
Und nicht zuletzt findet die erzieherische Arbeit meist in den privaten Wohnräumen der Erziehungsstellenfamilie statt, d.h. in der ganz persönlichen Lebens- und Wohnkultur und unter Einbezug der eigenen Intimität und Körperlichkeit.
All dies wird durch die Aufnahme und professionelle Erziehung eines jungen Menschen stark beeinflusst.
Dieser Einfluß ist dabei wechselseitig, denn der aufgenommene junge Mensch und die Erziehungsstelle bewegen sich in einer wechselseitigen Abhängigkeit, wie sie beispielsweise Klaus Wolf in seinen Veröffentlichungen mehrfach beschrieben hat.
So, wie es aktuell eine Diskussion um den Schutz der Sozialdaten des Klienten im Rahmen der Hilfeplanung und des Berichtswesens gibt, ist diese Diskussion auch auf Erziehungsstellen und deren Träger übertragbar und es stellt sich die Frage: wieweit ist die Privatsphäre der Erziehungsstelle geschützt ist und wie weit kann sie geschützt bleiben, ohne dass der Schutz des Kindeswohls und die Legitimation und Transparenz der Qualität der Arbeit dabei vernachlässigt wird?
Es ist offensichtlich, dass die Anforderungen, die an einen Erzieher in einer Heimgruppe bezüglich der Transparenz und Offenheit seiner Privatsphäre aber auch seiner Kompetenzen und Persönlichkeit gestellt werden, sich von denen eines Erziehungsstellenmitarbeiters unterscheiden.
Aber der Umgang mit dem privaten Rahmen ist auch für den aufgenommenen jungen Menschen von Bedeutung, denn auch für ihn stellt sich die Frage, wie weit er seine Privatsphäre in der Privatsphäre einer Familie genießen darf und sich dort möglichst „normal“ aufgehoben und nicht stigmatisiert fühlen kann, obwohl er mit seinem hohen Hilfebedarf sich in einer professionellen und institutionellen Form von Hilfe bewegt.
Erziehungsstellen arbeiten damit in einem einzigartigen und widersprüchlichem Rahmen. Läßt sich dieser Widerspruch auflösen? Und wenn ja, wie?
Zusammengefasst lässt sich festhalten: In Erziehungsstellen sind Arbeiten und Leben, „Normaler Mensch“ und „Profi“ sein untrennbar miteinander verflochten. Erziehungsstellen arbeiten nicht nur in einer Institution, sondern sie „leben“ Institution, was schlagwortartig auch als ein „ganzheitliches“ Setting bezeichnet werden kann.
1.1) Die Fachberatung zwischen Lebenswirklichkeit und professionellen Konstrukten
Und nun zur Fachberatung:
Fachberatung ist ein typisches und kennzeichnendes Element in der Erziehungsstellenarbeit und eine notwendige Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis. Die Inanspruchnahme der Fachberatung ist für Erziehungsstellen nicht freiwillig, sondern eine konstitutionelle Bedingung für ihre Arbeit. Damit wird deutlich, dass Fachberatung eine wichtige Einflussgröße ist und sein soll, um die Professionalität und Qualität der Arbeit der Erziehungsstellen und damit eine entsprechende Erziehung und Entwicklung der aufgenommenen jungen Menschen zu sichern und zu fördern .
Was für Aufgaben muss die Fachberatung aus Sicht einer Erziehungsstelle erfüllen, um – wie schon erwähnt – eine gute „ Serviceleistung“ für die „Basisarbeit vor Ort zu erbringen?
Ich bin überzeugt, dass Fachberatung ein grundlegendes und tiefes Verständnis für die komplexe Lebenswirklichkeit und das widersprüchliche Arbeitsfeld von Erziehungsstellen braucht und dass die Grundhaltung und das Selbstverständnis der Fachberatung von ihrer Arbeit einen wesentlichen Einfluss auf die Zusammenarbeit mit der Erziehungsstelle hat.
– Erziehungsstellen wünschen sich daher zunächst einmal ein grundlegendes Verständnis, Wertschätzung und Respekt für ihre Bereitschaft, sich auf eine derartige spezielle Arbeits- und Lebenssituation einzulassen, die abseits der üblichen Berufspfade liegt und die mit einigen Risiken verbunden ist. Für eine Erziehungsstellenarbeit, wenn sie mit Engagement und Herz betrieben wird- reicht es nicht aus diese Arbeit nur als „Job“ wie jeder andere zu betrachten und es scheint mir zumindest ein bisschen das Gefühl von Berufung und Verknüpfung mit dem eigenen Lebenssinn nötig.
Erziehungsstellen wünschen sich daher eine Art der Zusammenarbeit, die auf ihr spezifisches Setting und auf das besonderes Maß an Engagement und Leistungsbereitschaft eingeht. Um als Erziehungsstelle erfolgreich arbeiten zu können, ist eine hohe Selbständigkeit und ein großes Verantwortungsgefühl gefordert. Die integrativen Leistungen und Funktionen des Familiensystems müssen respektiert und vor Überforderung geschützt werden – das alles stellt hohe Ansprüche an die Fachberatung.
Als engste Nahtstelle zwischen Einrichtung und Erziehungsstelle muss sich die Fachberatung einerseits in diesem ganzheitlichen System bewegen und ihren Platz finden, andererseits verkörpert sie gleichzeitig die Einrichtung mit ihrem normalen klassischen Arbeitsverhältnissen und Strukturen. Sie selbst steht – wie alle weiteren MitarbeiterInnen der Einrichtung außerhalb der Erziehungsstelle- in einem „normalen“ und traditionellen Arbeitsverhältnis, mit einer Trennung von professioneller Arbeit und Privatleben, Dienst und Freizeit.
Arbeitsorganisationen und allen professionellen Strukturen fällt es manchmal schwer mit dem Begriff „Ganzheitlichkeit“ umzugehen, da deren vielschichtige und organisch fließende, schlecht kontrollierbare und abgrenzbare Strukturen einen Kontrapunkt zu klaren hierarchischen und sachlich arbeitsbezogenen Anforderungen und kontrollierbaren Arbeitsleistungen und -Zeiten bilden und so besteht die Gefahr, dass der private Rahmen schnell als „Störvariable“ empfunden werden kann.
Alle Konstrukte, wie Stellenbeschreibungen, Verträge usw. können immer nur die Komplexität der Lebenswirklichkeit reduzieren. So notwendig und unvermeidbar eine entsprechende Reduzierung von Komplexität auch sein mag, so soll sie jedoch ein stützendes und nicht ein beengendes Korsett für die Arbeit in der Erziehungsstelle sein. Das bedeutet, dass sich die Aufgaben und Arbeit der Fachberatung der Lebenswirklichkeit stellen muss und nicht umgekehrt die Lebenswirklichkeit der Erziehungsstelle sich organisatorischen, institutionellen Konstrukten und Belangen anpassen muss.
Ich betone dies gerade auch vor dem Hintergrund der „leeren Kassen“ und dem zunehmendem Legitimierungsdruck, warum junge Menschen eine so teure Maßnahme wie eine Erziehungsstelle nach § 34 SGB VIII brauchen, in Abgrenzung zu preisgünstigen Pflegefamilien, Sonderpflegestellen usw. . Ich befürchte, dass dadurch sich der institutionelle Charakter als stationäre Einrichtung erhöht und damit sich auch eine zunehmende Bürokratisierung und Formalisierung entwickelt, die eine Erziehungsstelle zunehmend zum Heimbetrieb werden lässt. Damit ist jedoch eine ihrer wesentlichen Stärken in Gefahr, nämlich sich möglichst nah an „Normalität“ zu orientieren und möglichst wenig die jungen Menschen als Empfänger öffentlicher Erziehungshilfe zu stigmatisieren. Privatsphäre und Familiensystem sollen eben nicht „Störvariablen einer professionellen Erziehung sein, sondern deren gewichtige, positive und respektierte Ressourcen.
Die Fachberatung wird damit zu einer Integrationsfigur für 2 verschiedene Arbeits- und Denkansätze und ihre wichtige Aufgabe ist es, die Ausbalancierung und Koordinierung von professioneller Erziehung im privaten Rahmen zu leisten.
1.2) Fachberatung als Arbeit mit Individualisten
Als weitere wesentliche Grundhaltung für eine gute Zusammenarbeit von Fachberatung und Erziehungsstelle möchte ich das Stichwort „ Individualität“ nennen. Erziehungsstellenarbeit ist eine sehr individuelle und keine Gruppenarbeit. Ausgehend vom jungen Menschen, der – wie es klassisch heißt „abgeholt werden muss, wo er steht“ und der das Tempo bestimmt und nach dessen Bedürfnissen und Hilfebedarf individuell eine geeignete Erziehungsstelle gefunden werden soll, trifft die Fachberatung auf Familiensysteme, die ebenso individuell und vielfältig sind und die ebenfalls sehr unterschiedliche Ressourcen und Kulturen haben. Die individuellen Entwicklungsprozesse der jungen Menschen verknüpfen sich mit individuellen Familiensystemen. Selbst ein Verbund von Erziehungsstellen hat niemals die Homogenität wie eine gruppenbezogene Einrichtung.
Damit kommen hohe Anforderungen auf die Fachberatung zu, die mit Hilfe von Fachlichkeit, durch einen geeigneten organisatorischen Rahmen der Einrichtung und durch eine geeignete Persönlichkeit des Fachberaters bewältigt werden sollen. Doch bevor ich zu diesen Punkten etwas sage, möchte ich noch näher auf die Arbeitsbeziehung in einem derartigen Setting eingehen.
1.3) Arbeitsbeziehungen von Fachberatung in Erziehungsstellen
Wenn ich von den bisherigen Überlegungen ausgehe und die Fachberatung als eine Integrationsfigur begreife, die verschiedene Systeme zusammenführt und in einem ganzheitlich und individuell ausgerichteten Feld arbeitet, dann besteht ein wichtiger Anteil ihrer Arbeit in der Gestaltung der Beziehung zur Erziehungsstelle.
Dazu folgende Skizze:
Gesellschaftliche Ebene
Stellen wir uns einmal den Mitarbeiter einer Erziehungsstelle als Mensch in seiner Gesamtheit vor und in seinen verschiedenen Aufgaben und Rollen, die er in seinem Leben wahrnimmt. Ich habe versucht einige dieser Aufgaben und Rollen zu sortieren. Je weiter wir nach innen die verschiedenen Kreissegmente durchschreiten, umso tiefer dringen wir in die Persönlichkeit und Intimsphäre ein.
In der Zusammenarbeit bestimmt nun im Wesentlichen der Aufgabenbereich und die Art der Arbeitstätigkeit und das damit verknüpfte handlungsleitende Interesse, welche Rollen und Persönlichkeitsbereiche eines Menschen – hier des Erziehungsstellenmitarbeiters – jeweils angesprochen werden und wie weit oder tief die Persönlichkeit und die Privat- bzw./ Intimsphäre jeweils berührt wird.
Beispielsweise ist das handlungsleitende Interesse eines Chefs ein anderes als das eines Supervisors oder Therapeuten. Entsprechend differenziert richtet sich der jeweilige Mensch als Arbeitnehmer oder als Klient / Patient auf dieses Interesse ein und handelt auf der dazu passenden Ebene mit dem dazu passenden Eigeninteresse. Andere Bereiche bleiben ausgeblendet oder werden geschützt..
So fordert ein Arbeitgeber und Chef beispielsweise ein Höchstmaß an Arbeitsleistung und kontrolliert und bewertet diese. Als Arbeitnehmer ist eine Person daran interessiert ihren Job zu behalten, vielleicht Karriere zu machen und angemessene Arbeitsbedingungen vorzufinden und nicht zuletzt Geld zu verdienen. Hier muss sie sich stark, leistungsbereit, kompetent und zuverlässig zeigen und vielleicht ihren Wert in Form von geldwerter Leistung darstellen .
Ein Supervisor oder Therapeut ist daran interessert ist, jemanden in seiner Persönlichkeit kennenzulernen und zu entwickeln und zu helfen, seine Probleme zu lösen, als Klient möchte dieser Jemand, dass er sich wohler fühlt und dass sein psychisch-emotionales Befinden auszubalanciert ist. Hier muss der Betreffende zu seinen Schwächen stehen und bereit sein, diese offenzulegen und daran zu arbeiten.
Zusätzlich möchte ich eine weitere Unterscheidung einführen, nämlich die zwischen Rechts- bzw. Vertragsverhältnis und Beziehungsverhältnis. Wie weit hat beispielsweise ein Arbeitgeber oder eine Dienst und Fachaufsicht das Recht im Rahmen eines formalen Vertragsverhältnisses meine Privatsphäre einzublicken – und wo ist meine Persönlichkeit und Privatsphäre geschützt?
Ganz andere Perspektiven eröffnen sich jedoch, wenn ich eine Wahlmöglichkeit habe, freiwillig Einblick in meine Persönlichkeit und Privatsphäre jemanden anderen zu erlauben? Dieses muss ich nicht tun im Rahmen eines Macht- oder Abhängigkeitsverhältnisses, sondern ich entscheide mich dazu, weil ich überzeugt bin, dass mich eine Beziehung verbindet, in der ich diese Offenheit und Transparenz als zu meinem Nutzen und passend erlebe und weil zwischen mir und meinem Interaktionspartner ein gemeinsames Interesse an bestimmten Themen und Problemlösungen existiert.
Wo steht nun in diesem Gedankenmodell der Fachberater?
Die Fachberatung lernt im Laufe der Zeit die Mitglieder der Erziehungsstelle auf sehr vielen verschiedenen Ebenen und weit über ihre Berufsrollen hinaus kennen. Die Gestaltung dieser Beziehung wir dabei stark von den handlungsleitenden Interessen der Fachberatung und damit von ihrem Aufgaben- und Selbstverständnis bestimmt, bzw. davon, was Erziehungsstellen glauben, was das Interesse der Fachberatung ist.
– Ich behaupte, dass Fachberater in Erziehungsstellen dann am qualitativ besten arbeiten, wenn sie ihre Arbeit als „Beziehungsarbeit“ begreifen. Ein wichtiger Anteil dieser Beziehungsarbeit besteht in der Werbung um Vertrauen, Offenheit und Transparenz und in der Arbeit auf der Basis dieser oben genannten Freiwilligkeit.
– Eine Fachberatung kann Erziehungsstellen dann zu einer freiwilligen Offenheit und Transparenz auch innerhalb ihres Familiensystems und ihrer Privatsphäre ermutigen,
– wenn sie Sicherheit und Wertschätzung vermittelt und wenn sie ressourcenorientiert und nicht defizitorientiert mit den Erziehungsstellen zusammenarbeitet,
– wenn sie die Gewissheit gibt, dass dieser Einblick nicht missbraucht wird, sondern den Erziehungsstellen Unterstützung in ihrer Arbeits- und Lebenssituation bietet,
– wenn die Fachberatung, sensibel und differenziert mit diesen Informationen einrichtungsintern wie extern umzugehen versteht und auch ihr eigenes Interesse offen legen kann,
– und wenn die Fachberatung der Erziehungsstelle vermitteln kann, dass sie den jungen Menschen und die Erziehungsstelle in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit begreift und dass es dass ihr handlungsleitendes Interesse ist, diese Bedürfnisse beider Systemelemente zusammenzuführen, auszubalancieren und Hilfe beim gegenseitigen Verständnis zugeben.
Ich möchte hier kurz auf Friedemann Schulz von Thun verweisen, der auf folgendes hinweist:“ ….Verhaltensweisen, die von der Grundidee her ausdrucksorientiert sind und existentielle herrschaftsfreie Dialoge und Begegnungen fördern wollen, (können) zu neuen Manipulationsinstrumenten und zu Techniken der Oberhand Sicherung (werden)“, wenn sie in den Dienst ganz anderer Interessen gestellt werden. (Miteinander Reden 1 Allgemeine Psychologie der Kommunikation, rororo 1991.
Die Beratungsarbeit sollte daher keinesfalls als „Psycho-Jargon“ empfunden werden, im Dienst ganz anderer Interessen. Ich glaube, dass Erziehungsstellen mit ihrem Arbeitshintergrund hier sehr sensibel und vielleicht manchmal auch misstrauisch sein können.
Ein entscheidendes Kriterium, ob ein derartiger vertrauensvoller Beziehungsaufbau zwischen Erziehungsstelle und Fachberatung gelingt, ist die organisatorische Einbindung und die Aufgabenbeschreibung von Fachberatung:
1.4) Organisatorische Einbindung von Fachberatung und Erziehungsstelle
Je nach organisatorischer Struktur und Konzeption kann die Fachberatung für sehr unterschiedliche Aufgabenfelder verantwortlich sein. Häufig haben sie eine Art „Mädchen für Alles“ Funktion, also ein vielfältiges und vor allem ein widersprüchliches Aufgabenfeld, das von unterschiedlichen Interessen und Beziehungsanforderungen geprägt wird. So leisten Fachberatungen häufig
– die Dienst und Fachaufsicht,
– die Beratung der Herkunftsfamilie,
– die Fachberatung der Erziehungsstelle,
– bis hin zur Supervision,
– Gruppenarbeit mit Erziehungsstellen,
– Die Beratung des jungen Menschen und ein Beschwerdemanagement,
– Die Konfliktmoderation und Mediation zwischen den unterschiedlich Beteiligten,
– Das Krisenmanagement innerhalb der Erziehungsstelle,
– Die Zusammenarbeit mit Jugendämtern und anderen Behörden,
– Weitere Overheadtätigkeiten,
– Und Fortbildung und fachpolitische Informationen
Und es gilt noch weiter zu differenzieren: Für wen ist Fachberatung zuständig und verantwortlich?
Wer ist überhaupt die Erziehungsstelle? Ist es nur der Vertragspartner des Trägers, der die Erziehungsstelle betreibt? Welche Rolle spielen die anderen Mitglieder des Familiensystems, insbesondere der Ehe oder Lebenspartner? Denn diese haben ja , zumindest formal, allenfalls einen „Ehrenamtlichenstatus“, tragen aber ohne Zweifel einen wichtigen Anteil an der Erziehung und am Lebensalltag der aufgenommenen jungen Menschen mit und üben damit einen hohen Einfluss auf die Qualität der erzieherischen Arbeit aus, ohne jedoch direkt Vertragspartner zu sein?
Die Chancen aber auch die Gefahren in der Wahrnehmung dieser komplexen Tätigkeiten liegen in der Fähigkeit zur Integration dieser verschiedenen Aufgaben und diesen zugrundeliegenden Interessen.
Erziehungsstellen fragen sich, wem ist die Fachberatung loyal? Ist sie mein Fachkollege? Kann sie über allem schweben und es allen recht machen? Die Gefahr besteht, dass verschiedene Aufgaben und Funktionen sich gegenseitig behindern, bzw. negativ beeinflussen, so dass die Fachberatung förmlich „Spagate zwischen den verschiedenen Parteien und Interessen leisten muss und bei aller Sportlichkeit ihre „Pufferfunktion verliert und in ihrer Integrationskraft überfordert ist.
Als einen krassen, sich behindernden Spagat möchte ich beispielsweise den gleichzeitigen Anspruch Dienstvorgesetzter zu sein und supervisorische Funktionen zu erfüllen, nennen.
– Ich persönlich halte es für sinnvoll, diese Integrationskraft nicht zu überfordern und Fachberatung in ihrer Stellenbeschreibung und Einrichtungskonzeption mit einem beraterischen Setting zu versehen. Damit sollten nach meiner Meinung unmittelbare Personalführungsaufgaben nicht von der Fachberatung wahrgenommen werden.
– Für ebenso wichtig halte ich die Möglichkeit zur regelmäßigen externen Supervision. Nur so ist es möglich, der Intimsphäre der ErziehungsstellenmitarbeiterInnen einen geschützten und unkontrollierten Raum zu geben, in der auch tiefere Persönlichkeitsanteile, biografische Erfahrungen und Beziehungserfahrungen bearbeitbar werden, die für die Beziehungsgestaltung zum jungen Menschen sehr wichtig sind. Ich halte das umfangreiche Feld zwischen diesen oben genannten Polen für groß und komplex genug, so dass die Fachberatung auch weiterhin noch stark gefordert wird.
– Die Fachberatung sollte auf jeden Fall die Möglichkeit haben, auch die sogenannten „ehrenamtlichen Familienmitgliedern“ ausreichend mit einzubeziehen. Eine Selbstverpflichtung der Erziehungsstelle auf Standards kann hierbei hilfreich sein. Besonders aber halte ich die auf Freiwilligkeit und Partnerschaftlichkeit beruhende organisatorische Grundlage der beratenden Arbeit für effektiver im Sinne einer Qualitätsentwicklung als die Möglichkeiten formaler Mittel.
Neben der organisatorischen Einbindung spielt ebenfalls die Fachkompetenz und Persönlichkeit der Fachberatung eine herausragende Rolle für eine gute Zusammenarbeit.
1.5) Die Fachlichkeit und Persönlichkeit der Fachberatung
Diese komplexe und integrative Aufgabenvielfalt erfordert hohe Kompetenzen bei der Fachberatung.
– Sie erfordert gute reflektive und meta-kommunikative Kompetenzen, damit sie den Erziehungsstellen eine ausreichende Transparenz und Klarheit ihrer jeweiligen Rolle, ihr Eigeninteresse und ihre Loyalitäten in der jeweiligen Situation vermitteln kann.
– Fachberatungbraucht die Fähigkeit zu einer sehr individuellen Arbeit, da sie sich auf jeden jungen Menschen und jede Erziehungsstelle spezifisch ausrichten und einstellen muss. Die jeweiligen Aufgaben und Absprachen in der Zusammenarbeit können sehr unterschiedlich sein, je nach Hilfebedarf und individuellen Ressourcen.
– Fachberater haben es ebenfalls mit sehr unterschiedlichen Beziehungs- und Arbeitsebenen zu tun. Gerade in Familiensystemen ist das Gesamtsystem häufig so stark wie das schwächste Glied der Kette. Fachberater müssen daher jeden Beteiligten individuell erreichen können und seine Ressourcen, Grenzen und Funktionen im Gesamtsystem erkennen können . Dazu ist eine Ausbildung mit systemischen oder familientherapeutischen Hintergrundwissen oder eine langjährige Arbeit mit Familien sehr hilfreich.
– Fachberater machen die spezifischen und ganzheitlichen Leistungen der Erziehungsstellen auch nach außen hin im Gesamtsystem der unterschiedlichsten Formen von Jugendhilfeleistungen deutlich und schützen und unterstützen ihr Setting. Insbesondere bei der Hilfeplanung – vom Aufnahmeverfahren, bis zur Hilfeplanfortschreibung und Rückführung ist das Verständnis für diese spezifische Hilfeform und seine Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, sowie eine Abgrenzung zu anderen Jugendhilfearten wie beispielsweise zu Wohngruppen und Pflegefamilien wesentlich.
Als Spezialfall möchte ich hier anführen, dass Erziehungsstellen bei denen sich eine längerfristige Aufnahme heraus kristallisiert, sich vom Fachberater als Einrichtungsvertreter und Koordinator der Kontakte zum Jugendamt die Sicherheit wünschen, dass Jugendämter nicht 34er in 33er Maßnahmen umzuwandeln versuchen.
– Weiter sollte die Fachberatung gute und aktuelle Kompetenzen und Kenntnisse zum System der Jugendhilfe, seinen Veränderungen und aktuellen Diskussionen haben und insbesondere die „Stolpersteine“ in der Zusammenarbeit zwischen Einrichtung und Jugendamt, insbesondere beim Hilfeplanverfahren, beim Berichtswesen, bei Dokumentation und Evaluation kennen. Erziehungsstelle und Fachberatung sollten sich gerade bei der Erziehungs- und Hilfeplanung als ein Team begreifen, dass zwar mit unterschiedlichen Schwerpunkten arbeitet aber dennoch gemeinsam „Fachlichkeit“ und „Professionalität“ vertritt.
Nicht zuletzt scheint mir auch die Persönlichkeit des Fachberaters sehr mitentscheidend für eine gelingende Beziehungsgestaltung zwischen allen Beteiligten zu sein. Für Erziehungsstellen ist es sehr wichtig, dass sie das Gefühl haben, dass sich hinter der Fachberatung ein integrer und authentischer Mensch verbirgt,
Daneben muss ebenfalls „ die Chemie“ zwischen der Fachberatung und der Erziehungsstelle stimmen, das heißt eine ausreichende persönliche Kooperationsbereitschaft vorhanden sein. Dies sollte schon im Aufnahmeverfahren von Erziehungsstellen berücksichtigt werden, besonders wenn nur 1 Fachberater für die Einrichtung zuständig ist. Neben der Qualifikation fördert auch eine eigene Familie- und eine ausreichende Lebenserfahrung die Qualität von Fachberatung. Fachberatung ist damit keine Stelle für Berufsanfänger.
Im jetzt folgenden letzten Abschnitt möchte ich noch auf die 2. zentrale Rahmenbedingung für die Arbeit der Erziehungsstelle und damit auch für die Fachberatung eingehen:
2.) Erziehungsstellen bieten den aufgenommenen jungen Menschen einen Platz in ihrem familiären System und sozialen Netz an und orientieren sich an „normalen“ lebensweltlichen Bezügen
In Beschreibungen von Erziehungsstellen tauchen immer wieder als kennzeichnende Kriterien dieser Arbeit folgende Begrifflichkeiten auf:
– Erziehungsstellen betreuen ihre aufgenommenen jungen Menschen kontinuierlich, rund um die Uhr, ausgerichtet an den jeweiligen individuellen Bedürfnissen des jungen Menschen, denen sie einen passenden Platz in ihrem Familiensystem anbieten.
– Sie machen Beziehungsangebote, zeigen eine strukturierende und liebevolle elterliche Präsenz und bieten familiäre Rollenmuster und ein Beziehungsgeflecht an, das über die Kernfamilie bis in das soziale Netz der Familie ausstrahlt.
– Diese Beziehungen sind nicht beliebig austauschbar und – wie es Klaus Wolf in seinen Veröffentlichungen immer wieder betont – begeben sich die Mitglieder einer Erziehungsstelle und der aufgenommene junge Mensch in einer Art und Weise in eine gegenseitige Abhängigkeit, die große erzieherische Chancen und Entwicklung, sowie Befriedigung von Bedürfnissen ermöglicht aber auch bestimmte Risiken für alle Beteiligten beinhaltet.
– Erziehungsstellen leisten eine professionelle erzieherische Arbeit, die sich an das „normale“ gesellschaftliche Leben und seinen Lebenswelten orientiert.
Somit sind Erziehungsstellen professionelle Institutionen, die quasi nach außen hin – außerhalb der Fachöffentlichkeit oder pädagogischer Institutionen – nicht auf den ersten Blick als stationäre Einrichtungen sichtbar werden und die den Anspruch haben, den jungen Menschen möglichst wenig nach außen als Hilfeempfänger öffentlicher, institutioneller Erziehung zu stigmatisieren, sondern möglichst viel „Normalität“ zu erhalten.
2.1) Anforderungen an die Fachberatung
Wie kann Fachberatung diese Aufgaben unterstützen?
– Eine entscheidender Aspekt ist der jeweilige Arbeitsauftrag und damit die Rollenfindung des Fachberaters im spezifischen Familiensystem. Diese Rolle kann nicht pauschal für alle Erziehungsstellen gleich sein, sondern muss sich nach dem individuellen Bedarf vom aufgenommenen jungen Menschen, also beispielsweise vom Alter, Entwicklungsstand und Aufenthaltsperspektive und der Erziehungsstellenfamilie und deren Beziehungsangebot richten. Da Erziehungsstellen jedoch eher familiär geprägte Rollen und Beziehungsmuster anbietenden, sollte die Fachberatung die elterliche Präsenz der Erziehungsstellen im System stärken und fördern aber nicht abnehmen, beispielsweise indem sie von den Kindern und Jugendlichen als „höhere Instanz“ und „Entscheider“ angesehen werden. Ihre Beratungsarbeit sollte im Grundsatz daher so gestaltet sein, dass sie zunächst im Hintergrund die Erziehungsstelle beraten und stützen. Ein großer Arbeitsanteil der Fachberatung liegt deshalb in der Distanz schaffenden Reflektion der familiären und erzieherischen Prozesse und Unterstützung der Anwendung von professionellem, pädagogisch- methodischen Handwerkszeug, sowie der Erziehungs- und Hilfeplanung.
– Erziehungsstellen arbeiten in einem Bereich, der ein großes Maß an Selbständigkeit und Selbstverantwortung und hohe fachliche wie persönliche Anforderungen verlangt. Genau das ist auch eine der Motivationen für pädagogische Fachkräfte, sich für eine Erziehungsstellenarbeit zu entscheiden, nämlich die Freude an Verantwortung, einer gewissen Autonomie und Selbständigkeit und das Erleben von „Sinn“ durch ihre Arbeit. Fachberatungen sollten daher diese Motivation fördern und damit arbeiten. Andererseits können Erziehungsstellen diesen hohen Anforderungen nur gerecht werden, solange sie ihre Sicherheit und auch professionelle Distanz behalten und sich nicht überlastet oder überfordert fühlen. Gerade weil Erziehungsstellen in ihren eigenen 4 Wänden arbeiten und kein Kollegenteam zur täglichen Unterstützung haben, möchten Sie vom Fachberater diese Unterstützung und vor allem diese Sicherheit erfahren, als dem Kollegen, der regelmäßig in ihrem Hause arbeitet und die Kinder wie Familie genau kennt. Erziehungsstellen wünschen sich daher den Fachberater als professionellen Begleiter und Teamkollegen, sozusagen „mit speziellem Aufgabenbereich“, der ihnen partnerschaftlich zur Seite steht und mit dem sie ein professionelles Fachkräfteteam bilden.
– Fachberatung sollte die professionellen Prozesse so koordinieren und durchführen, dass ein möglichst hohes Maß an „Normalität“ und familiärer Lebensbezüge auch mit professioneller Unterstützung und trotz einer stationären Hilfeform erhalten bleiben kann.
– In der Hilfeplanung sollte die Fachberatung ihr Augenmerk besonders auch auf die Beziehungs- Bindungsbedürfnisse und Fähigkeiten des jungen Menschen legen.
– So sollte bei Aufnahmeanfragen sichergestellt werden, dass eine familiäre Hilfeform vom jungen Menschen gewünscht wird und dass eine positive Prognose besteht, dass dieser sich darin entwickeln kann. Die Erziehungsstellen brauchen für ihre eigene Beziehungsfindung in ihrem Familiensystem und zum jungen Menschen vorab eine Vorstellung, in welcher Nähe oder Distanz sich die Beziehungsgestaltung zum jungen Menschen entwickeln soll und ob sie dieses leisten können.
– Die Beziehungs- und Bindungsentwicklung in der Erziehungsstelle sollte bei der Erziehungs- und Hilfeplanung und Hilfeplanfortschreibungen sorgfältig reflektiert werden, da einerseits Rückführung das erklärte Ziel in der Erziehungsstellenarbeit ist, andererseits gerade in einer Familie sich Beziehungen und Bindungen entwickeln können, die ab einem bestimmten Zeitraum eine angemessene Berücksichtigung finden müssen. Die Fachberatung sollte hier versuchen, sich stark als Sprachrohr für die Bedürfnisse des jungen Menschen zu verstehen – innerhalb und vor allem auch außerhalb der Erziehungsstelle.
– Das Recht auf Mitwirkung und Beteiligung des jungen Menschen an der Hilfeplanung sollte von der Fachberatung so unterstützt werden, dass es dem Alter, der Entwicklung und der familiären Situation des Kindes in der Erziehungsstelle gerecht wird und nicht nur ein formales Kriterium ist, d.h. körperlich anwesend im Amt zu sein oder eine Unterschrift ohne Verständnis zu leisten.
– Fachberatung sollte gute Kenntnisse über Hilfeangebote oder therapeutische Möglichkeiten im Sozialraum der Erziehungsstelle haben, damit die jungen Menschen angemessene Hilfen bekommen, die sich in den normalen Lebenswelten, wie sie für andere Kinder auch gelten, finden lassen.
2.2) Fachberatung als Krisenmanagement
Die Bewältigung von Krisen und Spitzenbelastungen sind ein Teil des „normalen“ Arbeitslebens von Erziehungsstellen. Entwicklungsverläufe von Kindern und Jugendlichen sind immer wellenförmig und nicht ohne Krisen zu denken. Dennoch sind diese Situationen auch Kristallisationspunkte der Zusammenarbeit der Erziehungsstelle mit allen betroffenen Beteiligten. Die Bewältigung unterschiedlicher Krisen sind daher auch Bewährungsproben in der Zusammenarbeit zwischen Erziehungsstelle und Fachberatung und ich bin der Meinung, dass Fachberatung hier eine ganz bedeutsame Rolle spielt.
Erziehungsstellen fühlen sich einerseits hoch verantwortlich und selbständig – was sie sehr motiviert – andererseits spüren sie jedoch auch, dass ihr Familiensystem viel auszuhalten hat und auch überfordert werden kann. Sie wünschen sich daher auch Sicherheit und vor allem das Gefühl nicht allein mit den Problemen zu sein, sondern Verantwortung teilen zu können. Da Krisenverläufe sich dadurch auszeichnen, das die in eine Krise geratene Person emotional stark beteiligt ist, sich zunehmend in einer ausweglosen oder ohnmächtigen Position fühlt und ein geplantes und professionelles Handeln dadurch zunehmend schwierig wird, hat Fachberatung im Sinne eine Krisenmanagements hier eine ganz wichtige stützende Position in der Zusammenarbeit. Der Dienst der Fachberatung sollte deshalb flexibel sein und sich am Bedarf der Erziehungsstelle ausrichten. In Krisen sollte sie deshalb auch kurzfristig und außerhalb von Bürozeiten erreicht werden können. Ich persönlich habe noch nicht erlebt, dass Erziehungsstellen damit leichtfertig oder gedankenlos umgehen.
Je nach Krisenverlauf und Thematik kann die Fachberatung entweder die Präsenz und Handlungsfähigkeit der Erziehungseltern im Hintergrund unterstützen oder auch aktiver in den Vordergrund treten. Ein besonderes Beispiel für eine aktive Krisen oder Konfliktbewältigung geben hier beispielsweise Arist von Schlippe und Haim Omer, die in ihrem Konzept zur Elterlichen Präsenz als systemisches Konzept beschreiben, wie Eltern Präsenz zeigen können und sich dabei auch von außen Hilfe holen und coachen lassen können. ( Autorität ohne Gewalt –Coaching für Eltern von Kindern mit Verhaltensproblemen ).
In Krisensituationen, in denen die Kommunikationsfähigkeit und Problemlösefähigkeit zwischen den Erziehungsstelleneltern und dem jungen Menschen stark eingeschränkt ist, dies kann besonders in Lebensphasen wie der Pubertät der Fall sein, kann die Fachberatung auch in der Rolle als Mediator und Moderator eines Familien / Eltern-Kind Gesprächs oder auch in der direkten Beratung des jungen Menschen, auch im Sinne eines „Beschwerdemanagers“ wesentlich zur Konfliktlösung und damit meist zu einer Kompromissfindung zwischen den unterschiedlichen Interessen beitragen.
Die beste Möglichkeit zur Verhinderung von Krisen ist jedoch die präventive Arbeit, z.B. dadurch dass die Fachberatung wirklich regelmäßig und mit ausreichendem Zeitkontingent und nicht nur nach Bedarf in den Erziehungsstellen vor Ort erscheint. Gerade weil bestimmte Erziehungsstellen bzw. bestimmte Persönlichkeiten dazu neigen, sich bei Problemen einzuigeln und alles mit sich allein abzumachen, ist diese regelmäßige und vertrauensvolle Zusammenarbeit, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, sehr wichtig.
2.3) Fachberatung und Elternarbeit
Elternarbeit nimmt einen zunehmend wichtigen Platz gerade auch in der Erziehungsstellenarbeit ein und entwickelt sich zunehmend zu einem eigenständigen Aufgabenbereich.. Eltern sind und bleiben wichtige Bezugspersonen und sollen so weit wie möglich auch in der Verantwortung bleiben und die Möglichkeit haben, angemessen in den Alltag der Erziehungsstelle mit einbezogen zu sein.. Die Abklärung und ggfs. Anbahnung einer Rückführung ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe für Erziehungsstellen. Neben der Kontakt- und Beziehungspflege von Erziehungsstelle – jungem Menschen und seiner Herkunftsfamilie, sind auch die Partizipation im Hilfeplanverfahren, bei der Anbahnung oder Rückführung wichtige Aufgabenbereiche.
Erziehungsstellen müssen in ihrer Elternarbeit sensibel darauf achten, nicht in eine Konkurrenzbeziehung zu geraten oder Loyalitätskonflikte bei den jungen Menschen, wie Herkunftsfamilien zu verstärken. Ihre Aufgabe ist stark daran orientiert eine angemessene Beziehung zwischen sich, dem jungen Menschen und der Herkunftsfamilie zu gestalten.
Die Fachberatung hat in ihrer Elternarbeit einmal die wichtige Funktion, die Elternarbeit der Erziehungsstelle zu begleiten und unterstützen. So kann sie Konflikte über Arbeitsaufträge, angemessene Besuchsregelungen, Konkurrenzbeziehungen und Loyalitätskonflikte moderieren und Problemlösungen anregen und zusammen mit der Erziehungsstelle die systemischen Prozesse reflektieren und planen.
Zum anderen kann sie ebenfalls die Herkunftsfamilie im Verlauf der gesamten Jugendhilfemaßnahme begleiten und beraten, und ihnen dabei Hilfe bei der Bewältigung der Trennung, Verständnis für Probleme von den aufgenommenen Kindern und Jugendlichen aber auch der Arbeit der Erziehungsstelle und ebenso auch Anleitung und Beratung zur besseren Übernahme von Erziehungsverantwortung und Rückführung geben.
Die jeweiligen Aufgabenschwerpunkte bedürfen jedoch einer guten und individuellen Absprache zwischen Erziehungsstelle und Fachberatung.
3) Schluss
Damit möchte ich jetzt zum Abschluß kommen und auf die Praxis in unserer Einrichtung bzw. in meiner Erziehungsstelle Bezug nehmen.
– Wir haben der Fachberatung in unserem Organisationsrahmen einen eindeutigen beraterischen Rahmen gegeben und ihre Aufgaben beinhalten nicht Leitungsfunktionen.
– Jede Erziehungsstelle hat für sich externe Supervision mit eigener Wahl des Supervisors.
– Dadurch, dass wir eine kleine und überschaubare Einrichtung sind, haben wir eine intensive Zusammenarbeit im gesamten Team der Erziehungsstellen unter Beteiligung der Fachberatung, die sich beispielsweise wöchentlich zu Teamsitzungen trifft, ein hervorragendes Gremium sowohl des Austausches und Reflektion als auch der gegenseitigen Kontrolle.
– Im laufe der Zeit hat sich dadurch eine sehr persönliche Zusammenarbeit gestaltet und aufgrund unserer Organisationsform und Geschichte führen wir die gesamte Einrichtung gemeinsam.
– Und das wichtigste zum Schluß: wir haben eine Fachberatung gefunden, die uns nun seit vielen Jahren sehr flexibel und unbürokratisch, sowohl als Fachkraft wie als Mensch zuverlässig zur Seite steht und uns in unserer Arbeit unterstützt.
Zum Autor:
Michael Husen ist Diplom Pädagoge und lebt und arbeitet seit über 11 Jahren als Erziehungsstelle und ist Geschäftsführer des Sozialpädagogischen Familienverbundes.
Vor ca. 5 Jahren gründete er zusammen mit mehreren Kollegen eine eigene Einrichtung – den Sozialpädagogischen Familienverbund GbR ( SoFa ) – und konnte gemeinsam unter dem Dach einer gemeinsamen Betriebserlaubnis mit allen Beteiligten ein eigenes pädagogisches und organisatorisches Konzept verwirklichen:
SoFa hat inzwischen unter dem Dach einer gemeinsamen Betriebserlaubnis und gemeinsamer Standards 13 Erziehungsstellenplätze und eine kleine flexible Mutter- Vater- Kind Einrichtung von 2 Plätzen. Alle Erziehungsstellen sind gleichzeitig auch Miteigentümer dieser Einrichtung.