Infos zu Erziehungsstellen 34 SGBVIII
 
Erziehungsstelle Husen

Besteuerung von Erziehungsstellen

Die Besteuerung von Erziehungsstellen in Abgrenzung oder aber auch in Anlehnung an Pflegefamilien ist rechtlich sehr schwierig zu beurteilen und wird in der Praxis nach unseren Informationen uneinheitlich von den einzelnen Finanzämtern gehandhabt. Eine allgemeingültige Information können wir daher nicht liefern und auch keine Rechtsberatung dazu. Hier folgen vier sich zum Teil widersprechende Textquellen, ein neueres Urteil des BFH und ein Sitzungsprotokoll der obersten Finanzbehörden der Länder.


Urteil vom 30. November 2022, VIII R 13/19

Behandlung von Pflegegeldern für die intensivpädagogische Betreuung von Jugendlichen in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII

ECLI:DE:BFH:2022:U.301122.VIIIR13.19.0

BFH VIII. Senat

EStG § 3 Nr 11 S 1, EStG § 8 Abs 1, SGB 8 § 33, SGB 8 § 34, SGB 8 § 35, SGB 8 § 78a, SGB 8 § 78b, SGB 8 § 78c, EStG § 18 Abs 1 Nr 1 S 2, EStG VZ 2014 , EStG VZ 2015

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 26. März 2019, Az: 11 K 3207/17

Leitsätze

Pflegegelder, die für die intensivpädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII gezahlt werden, sind keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg vom 26.03.2019 – 11 K 3207/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Streitig ist, ob Pflegegelder für die intensivpädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher durch die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) steuerfreie Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren 2014 und 2015 jeweils maßgeblichen Fassung (EStG) sind.
  2. Die Klägerin ist staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieherin. In den Streitjahren betreute sie besonders traumatisierte Jugendliche, die in Pflegefamilien, Heimen, Großeinrichtungen oder in geschlossenen Einrichtungen keine Aufnahme mehr finden konnten und diese Formen der Unterbringung, teilweise auch schon die geschlossene Psychiatrie, bereits durchlaufen hatten, jeweils im Rahmen einer intensivpädagogischen Betreuung i.S. des § 35 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Die Jugendlichen besuchten keine Regelschulen, sondern wurden von der Klägerin unter Nutzung von Unterlagen einer Fernschule beschult. Die Klägerin firmierte nach außen als „…-Betreuungsstelle …“ unter dem Namen „…“.
  3. Im Streitjahr 2014 betreute die Klägerin vier Jugendliche, im Streitjahr 2015 im Monat Mai fünf Jugendliche, im Rest des Jahres vier Jugendliche.
  4. Zwischen der Klägerin und dem Jugendwerk … (Jugendwerk), das als Träger der freien Jugendhilfe an den … angebunden war, bestand ein Kooperationsvertrag. Dessen Gegenstand war die Durchführung von Hilfemaßnahmen im Rahmen der Jugendhilfe „gemäß § 27 i.V.m. §§ 34, 35, 35a, 41 SGB VIII“ durch die Klägerin als Betreuungsperson. Die Betreuungen waren auf der Grundlage vereinbarter Qualitätsstandards und eines Hilfeplans „in der Wohnung“ der Klägerin durchzuführen. Der Klägerin oblagen u.a. die eigenverantwortliche Durchführung der Maßnahmen und die Gewährleistung eines gelingenden Alltags, die Mitwirkung bei der Erstellung eines Hilfeplans für die einzelnen Jugendlichen als Grundlage ihrer pädagogischen Aktivitäten vor Ort und die schriftliche Dokumentation des Erziehungsprozesses samt Berichterstattung darüber an das Jugendwerk.
  5. Der Betreuung der einzelnen Jugendlichen lag zusätzlich jeweils ein Leistungs- und Honorarvertrag zwischen dem Jugendwerk und der Klägerin zugrunde. Die Klägerin verpflichtete sich zur Übernahme der Betreuung und Unterbringung zur Erziehung des Jugendlichen „gemäß § 27 i.V.m. §§ 34, 35, 35a bzw. 41 SGB VIII“ auf Grundlage der im Kooperationsvertrag vereinbarten Pflichten. Sie erhielt für jeden Jugendlichen ein Erziehungshonorar in Gestalt eines Tagessatzes (§ 5.1 i.V.m. Anlage 1 zum jeweiligen Leistungs- und Honorarvertrag). Die Tagessätze lagen in den Streitjahren für die einzelnen Jugendlichen zwischen 100,77 € und 101,03 €. In einzelnen Honorarverträgen wurde für die Höhe des Erziehungshonorars auf die in den sog. Rahmenverträgen nach § 78f SGB VIII festgelegten Sätze für Regelleistungen und für konzeptionsbedingte Leistungen für Einrichtungen i.S. des § 78a Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII Bezug genommen. Ferner wurde der Klägerin ein Teil des Sachaufwands tageweise ersetzt. Dies betraf Aufwendungen für die Verköstigung, kosmetische und persönliche Bedürfnisse des jeweiligen Jugendlichen, den hauswirtschaftlichen Bedarf sowie einen Mietanteil. Der Sachkostenersatz war am Sozialhilfesatz orientiert und betrug in den Streitjahren zwischen 21,22 € und 21,48 € pro Tag für jeden Jugendlichen. Bei einer Abwesenheit des Jugendlichen von mehr als drei Tagen erhielt die Klägerin 75 % des Honorars und des Sachkostenersatzes (§ 5.3 des jeweiligen Leistungs- und Honorarvertrags). Darüber hinaus wurden an die Klägerin die jeweils nach Alter gestaffelten Sätze für das dem Jugendlichen zustehende Taschen- und Kleidergeld ausgezahlt (§ 5.2 i.V.m. Anlage 2 zum Leistungs- und Honorarvertrag).
  6. Die Betreuung und Unterbringung der Jugendlichen fand auf einem von der Klägerin im Jahr 2012 erworbenen Grundstück samt Gebäude (einem ehemaligen Gasthof) statt. Das Gebäude bestand in den Streitjahren aus drei abgeschlossenen Wohnungen (Nrn. 1 bis 3) im Ober- und im Dachgeschoss sowie im Erdgeschoss aus einem Gemeinschafts- und Aufenthaltsraum, einem Freizeit- und Fitnessraum, einer Gemeinschaftsküche und Toiletten. In den Streitjahren bewohnte die Klägerin die Wohnung Nr. 1 (79,59 qm) in der Mitte des Gebäudes selbst, in der großen Wohnung Nr. 2 im Ober- und Dachgeschoss (150,89 qm) wohnten ihre beiden erwachsenen Söhne mit Freundinnen und in der Wohnung Nr. 3 (66,89 qm) die betreuten Jugendlichen. Die Jugendlichen verfügten in dieser Wohnung jeweils über Einzelzimmer, zudem hatte die Wohnung ein eigenes Bad. In den Streitjahren war ein Jugendlicher in dem zur Wohnung Nr. 2 gehörenden Dachgeschoss untergebracht, weil die Wohnung Nr. 3 nur drei Einzelzimmer hatte. Zur Wohnung der Klägerin (Nr. 1) hatten die Jugendlichen insoweit Zutritt, als die Klägerin dort für sie jederzeit ansprechbar war. In der Wohnung der Klägerin wurde jedoch nicht gemeinsam gekocht und gelebt. Die Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten fand in der Gemeinschaftsküche und im Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss (26 qm) statt, die Jugendlichen konnten zur Zubereitung kleinerer Mahlzeiten auch die Küche in ihrer Wohnung nutzen. Die gemeinsamen Aktivitäten wie der Schulunterricht und Freizeitaktivitäten fanden im Gemeinschafts- und Aufenthaltsraum im Erdgeschoss (45 qm) statt. Zudem stand für den Sport ein Fitnessraum (21 qm) zur Verfügung.
  7. In den Streitjahren beschäftigte die Klägerin insgesamt vier Personen. Hierzu gehörten einer ihrer Söhne und dessen Freundin, die bei der Klägerin zur Ausbildung als Erzieher beschäftigt waren. Zudem arbeiteten für die Klägerin noch ein angehender Erzieher, der sein Anerkennungsjahr absolvierte, und eine ausgebildete erzieherische Fachkraft im Rahmen einer Teilzeitstelle.
  8. Die Klägerin erteilte dem Jugendwerk für jeden der Jugendlichen monatliche Rechnungen über die Erziehungshonorare und den Sachkostenersatz. Die Summe der für alle vier Jugendlichen zusammen gezahlten Erziehungshonorare (ohne den Sachkostenersatz) belief sich monatlich durchschnittlich auf 12.120 € (rund 404 € pro Tag für durchschnittlich 30 Tage im Monat). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde der Aufwand der Klägerin für Sachkosten und die Personalkosten (37.133,31 € für das Streitjahr 2014 und 34.344,41 € für das Streitjahr 2015) nicht in voller Höhe durch den Sachkostenersatz gedeckt.
  9. Die gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Jahresgewinne der Klägerin betrugen im Streitjahr 2014  69.662 € und im Streitjahr 2015 (nach Abzug von Betriebsausgaben für einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 28.000 €) 42.456 €.
  10. Die Klägerin behandelte die Vergütungen aus der erzieherischen Tätigkeit in ihren Gewinnermittlungen und Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre zunächst als steuerpflichtige Betriebseinnahmen aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
  11. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte dem in den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre (jeweils vom 30.08.2016). Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch und machte geltend, die Einnahmen aus der erzieherischen Tätigkeit seien steuerfreie Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG. Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück.
  12. Die anschließend erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Die Begründung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 1969 mitgeteilt.
  13. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Bundesrechts. Das FG habe zu Unrecht verneint, dass die Voraussetzungen einer gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG steuerfreien Beihilfe zur unmittelbaren Förderung der Erziehung erfüllt seien. Die Klägerin habe die Jugendlichen im Rahmen einer Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII in ihren Haushalt aufgenommen und dort intensivpädagogisch betreut. Da sie weniger als sechs Jugendliche gleichzeitig betreut habe, sei ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass die Pflegegelder steuerfreie Beihilfen seien.
  14. Die Klägerin beantragt,
    das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26.03.2019 – 11 K 3207/17 aufzuheben und unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 jeweils vom 30.08.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.11.2017 die Einkommensteuer auf 0 € herabzusetzen.
  15. Das FA beantragt,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
  2. 1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die an die Klägerin gezahlten Pflegegelder in den Streitjahren keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind.
  3. a) Gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu fördern. Ersetzen die Pflegegeldzahlungen den sachlichen und zeitlichen Aufwand der Pflegeeltern nicht und ist dies auch nicht beabsichtigt, sind sie als steuerfreie Beihilfe i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG anzusehen (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 14.07.2020 – VIII R 27/18, BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672, Rz 19; vom 05.11.2014 – VIII R 29/11, BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432; vom 28.06.1984 – IV R 49/83, BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571). Am Charakter einer Beihilfe i.S. des § 3 Nr. 11 EStG fehlt es hingegen, wenn die Pflegegelder für Erziehungsleistungen gezahlt werden, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432; vom 05.11.2014 – VIII R 27/11, BFH/NV 2015, 960, und VIII R 9/12, BFH/NV 2015, 967, jeweils m.w.N.; vom 17.05.1990 – IV R 14/87, BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018).
  4. b) Pflegegelder, die an die Betreiber von Einrichtungen und sonstiger Formen betreuten Wohnens i.S. des § 34 SGB VIII gezahlt werden, sind keine steuerfreien Beihilfen, weil typisierend davon auszugehen ist, dass sie die Sach-kosten in angemessenem Umfang ersetzen und die Erziehungsleistungen vergüten (s. BFH-Urteil vom 23.09.1998 – XI R 9/98, BFH/NV 1999, 600, unter II.1. [Rz 21], für Pflegesatzzahlungen an den Betreiber eines sog. Kleinstheims; zustimmend Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 31.08.2021, BStBl I 2021, 1802, unter C.; vgl. auch § 78a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. § 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, nach denen Pflegeentgelte an Heimbetreiber leistungsgerecht sein müssen).
  5. c) Eine steuerfreie Beihilfe kann hingegen vorliegen, wenn ein einzelner Jugendlicher in den Haushalt der Betreuungsperson zeitlich unbefristet aufgenommen und dort intensivpädagogisch i.S. des § 35 SGB VIII betreut wird. In diesem Fall entspricht das Pflegeverhältnis seinem Inhalt und der Durchführung nach ‑‑unabhängig von der sozialrechtlichen Qualifikation des Betreuungsverhältnisses als intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung i.S. des § 35 SGB VIII‑‑ der Betreuung des Jugendlichen im Rahmen einer nicht erwerbsmäßigen Vollzeitpflege i.S. des § 33 SGB VIII (BFH-Urteil in BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672, Rz 25; BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802, unter D.; zum Beihilfecharakter der Pflegegelder, die im Rahmen einer Vollzeitpflege gezahlt werden, vgl. BFH-Urteil in BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672, Rz 19, m.w.N., und BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802, unter A.). Werden mehrere Jugendliche zeitlich unbefristet in den Haushalt der Betreuungsperson aufgenommen und dort intensivpädagogisch i.S. des § 35 SGB VIII betreut, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen, ob die Anzahl der durch die Pflegeperson betreuten Kinder bzw. Jugendlichen oder andere Umstände für eine erwerbsmäßige Betreuung und den Vergütungscharakter der gezahlten Pflegegelder sprechen (BFH-Urteil in BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672, Rz 25; BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802, unter D.; vgl. auch § 78a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c i.V.m. § 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Die von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung im Zusammenhang mit einer Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII angewandte Vermutungsregel, dass eine erwerbsmäßige Betreuung nicht vorliegt, wenn nicht mehr als sechs Kinder gleichzeitig in den Haushalt der Pflegeperson aufgenommen und betreut werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432; in BFH/NV 2015, 960; in BFH/NV 2015, 967; BFH-Beschluss vom 10.12.2019 – VIII S 12/19 (AdV), BFH/NV 2020, 357, m.w.N.; vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802, unter A.), greift in den Fällen der intensivpädagogischen Betreuung mehrerer Jugendlicher, die unbefristet in den Haushalt der Betreuungsperson aufgenommen werden, daher nicht.
  6. d) Nach diesen Vorgaben hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Pflegesatzzahlungen an die Klägerin keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind. Die Würdigung des FG, die Jugendlichen seien von der Klägerin im Rahmen einer Heimunterbringung oder anderen Form des sonstigen betreuten Wohnens gemäß § 34 i.V.m. § 35 SGB VIII erwerbsmäßig betreut worden, ist nicht zu beanstanden.
  7. aa) Nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten und des FG wurden die Jugendlichen von der Klägerin jeweils intensivpädagogisch i.S. des § 35 SGB VIII betreut. Weiterer Ausführungen des Senats hierzu bedarf es daher nicht.
  8. bb) Die Jugendlichen wurden in den Streitjahren von der Klägerin im Rahmen einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII betreut.
  9. Zwar sind Privathaushalte der Erzieher, in denen dem Jugendlichen ein Zimmer überlassen wird, keine Einrichtungen i.S. des § 34 SGB VIII (BFH-Urteil in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432, Rz 57, 58). Der Senat hat aber im Urteil in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432 in Rz 62 bereits angedeutet, dass in sog. Mischfällen trotz einer familienähnlichen Betreuung auch von der Betreuung der Kinder und Jugendlichen in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII auszugehen sein kann. Ein solcher Mischfall liegt angesichts der räumlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen im Streitfall vor. Umstände, die für eine stationäre Betreuung der Jugendlichen in einer Einrichtung (Kleinstheim) oder in einer Form des sonstigen betreuten Wohnens i.S. des § 34 SGB VIII sprechen (abgetrennte Wohnbereiche, Gemeinschafträume und der Einsatz von Personal), sind neben weiteren Umständen (der Zuweisung der Jugendlichen zur persönlichen Betreuung durch die Klägerin und ihrer Unterbringung bei der Klägerin) vorhanden, die für eine Betreuung der Jugendlichen wie in einer Vollzeitpflegestelle gemäß § 33 Satz 2 SGB VIII sprechen. Die Würdigung, ob in solchen Mischfällen der Schwerpunkt im Bereich der Unterbringung nach § 34 SGB VIII liegt oder die Elemente einer Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII überwiegen, ist unter Einbeziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalls vorzunehmen und obliegt daher dem FG als Tatsacheninstanz (vgl. zu den fließenden Grenzen zwischen den Anwendungsbereichen der §§ 33, 34 SGB VIII und den Abgrenzungskriterien Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24.10.2008 – 7 A 10444/08, Das Jugendamt ‑‑JAmt‑‑ 2009, 92; des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 25.08.2020 – 7 K 2354/18, juris, Rz 32; des Schleswig-Holsteinischen FG vom 27.02.2019 – 2 K 8/19, EFG 2019, 766, Rz 51, 57, 58, sowie aus der Kommentarliteratur Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 33 Rz 17b; Jung/Kador, SGB VIII, § 33 Rz 45, § 34 Rz 8, 9; Wapler in Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl., § 33 Rz 75, 76, und Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. vom 12.01.2021 – SN_2020_1321 Bn, JAmt 2021, 91, 92).
  10. Dass das FG im Streitfall zu dem Ergebnis gekommen ist, es überwögen die Umstände, die für eine Unterbringung der Jugendlichen in einer Einrichtung der Klägerin i.S. des § 34 SGB VIII sprechen, ist nicht zu beanstanden. Die vom FG für seine Würdigung herangezogenen und gewichteten Umstände, die Jugendlichen und die Klägerin hätten innerhalb des Gebäudes in abgetrennten Wohnungen mit eigenen Bädern gewohnt, für die Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten sowie die Freizeitaktivitäten seien die Gemeinschaftsküche und -räume im Erdgeschoss genutzt worden und die Jugendlichen seien maßgeblich durch das von der Klägerin angestellte Personal mitbetreut worden, tragen den Schluss des FG, dass der für die Betreuung der Jugendlichen in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII erforderliche sachliche und institutionelle Rahmen gegeben war. Die weitere Würdigung des FG, trotz der persönlichen Zuweisung der Jugendlichen zur Betreuung durch die Klägerin, des unbestritten hohen persönlichen Engagements der Klägerin und ihrer täglichen Ansprechbarkeit für die Jugendlichen rund um die Uhr könne angesichts der räumlichen Gegebenheiten der Unterbringung und des Zusammenlebens sowie des Personaleinsatzes nicht mehr von der Aufnahme und Betreuung der Jugendlichen im Haushalt der Klägerin ausgegangen werden, ist möglich und nachvollziehbar. Zudem hat das FG plausibel darauf abgestellt, die Klägerin habe auch durch ihren Internetauftritt im Außenverhältnis den Eindruck vermittelt, als dauerhafte Einrichtung in Form einer Betreuungsstelle tätig zu sein.
  11. cc) Schon die Betreuung und Unterbringung der Jugendlichen in einer Einrichtung spricht nach der typisierenden Betrachtung der Rechtsprechung unabhängig von der Betreuungsintensität für den Entgeltcharakter der gezahlten Pflegegelder (s. unter II.1.b). Zudem sind aufgrund der Anzahl der betreuten Jugendlichen und der weiteren Rahmenbedingungen der Betreuung im Streitfall Umstände vorhanden, die selbst bei Annahme einer intensivpädagogischen Betreuung unter Aufnahme der Jugendlichen in den Haushalt der Klägerin auf eine erwerbsmäßige Betreuung schließen lassen (s. unter II.1.c). Das FG hat den Vergütungscharakter der gezahlten Pflegegelder darüber hinaus in nicht zu beanstandender Weise daraus abgeleitet, die Bezugnahme auf die Regelungen in „§§ 34, 35 SGB VIII“ und auf die Regelung des § 78f SGB VIII in den zugrunde liegenden Betreuungsverträgen zeige, dass der Klägerin leistungsgerechte Pflegegelder nach den sog. landesrechtlichen Rahmenverträgen i.V.m. §§ 78f, 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gezahlt worden seien. Schließlich ist es auch überzeugend, dass das FG den Vergütungscharakter des Pflegegelds aus den in beiden Streitjahren (unter Außerachtlassung der Betriebsausgaben für einen Investitionsabzugsbetrag) erzielten Gewinnen in Höhe von jeweils rund 70.000 € ableitet. Da die Sach- und Personalkosten der Klägerin nicht durch den tageweisen Sachkostenersatz gedeckt wurden, musste die Klägerin diese Aufwendungen durch die für die Erziehung gezahlten Tagessätze mitfinanzieren. Dass sie in beiden Streitjahren gleichwohl die genannten Gewinne erzielt hat, spricht dafür, dass die für die Erziehungsleistungen gezahlten Tagessätze Vergütungscharakter hatten.
  12. 2. Über die Höhe der Gewinne der Klägerin, die bei Nichteingreifen der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG in den Streitjahren anzusetzen und der Besteuerung zu unterwerfen sind, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
  13. 3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).

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Besteuerung von Erziehungsstellen (§34 SGB VIII) und Pflegefamilien (§33 /33.2 SGB III)?

Der BFH hat sich mit Urteil vom 10.12.2019 (Az VIII S 12/19) wieder einmal mit dem Thema Steuerfreiheit von Pflegegeldern beschäftigt.

Die Klägerin hatte im Streitjahr 2016 in ihren Haushalt ein minderjähriges Pflegekind in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII ! aufgenommen. Die Betreuung des Pflegekindes beruhte dabei auf einem Zusammenarbeitsvertrag mit der T-GmbH, einem kommerziellen privaten Träger der freien Jugendhilfe (nachfolgend nur noch: GmbH) mit der Klägerin, der zum 16.12.2014 begann und auf unbestimmte Zeit abgeschlossen war. Zusätzlich wurde eine Übernahme- und Honorarvereinbarung geschlossen, in der ein monatliches Honorar und Aufwendungsersatz für Sachkosten aufgrund der Unterbringung und Betreuung vereinbart war. Für die Betreuung, Unterbringung und Fortbildung erhielt die Klägerin von der GmbH monatliche Zahlungen in Form eines Honorars, einer Versorgungspauschale sowie eines an das Pflegekind direkt auszuzahlenden monatlichen Taschen- und Bekleidungsgeldes.

Das Finanzgericht (FG) ermittelte, dass der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die Stadt S, der GmbH für den Zeitraum Januar bis April des Streitjahres ein tägliches Entgelt in Höhe von 205,76 EUR und für den Zeitraum von Mai bis Dezember des Streitjahres in Höhe von 216,43 EUR zahlte. Hinzu kam das an das Pflegekind weiterzuleitende Taschen- und Bekleidungsgeld. Die ausgezahlten Beträge beruhten auf einer Entgeltbewilligung des Jugendamtes, wurden aber abgesehen vom monatlichen Taschen- und Bekleidungsgeld nicht in der bewilligten Höhe von der GmbH an die Klägerin ausgezahlt. Zudem stellte das FG fest, dass eine Kontrolle der Mittelverwendung bei der GmbH durch das zuständige Jugendamt der Stadt S nicht stattfinde. Eine Kontrolle der Verwendung der von der GmbH an die Klägerin ausgezahlten Beträge finde nur für das an das Pflegekind weiterzuleitende Taschen- und Bekleidungsgeld statt.

Das FG qualifizierte den erklärten Gewinn als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Dem folgte der BFH nicht.

Die von den Jugendämtern an Pflegeeltern –wie im Streitfall– geleisteten Erziehungsgelder hat der BFH  grundsätzlich als nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei beurteilt, da mit der Zahlung der Pflegegelder keine vollständige Ersetzung des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern beabsichtigt sei.  Diesen steuerfreien Leistungen hat der BFH auch im Bereich des Bezugs von Pflegegeldern als steuerpflichtige Einnahmen aber Zahlungen an Personen gegenübergestellt , die Kinder des Erwerbs wegen in ihren Haushalt aufgenommen haben – was erst angenommen wird, wenn von der Pflegeperson mehr als sechs Kinder gleichzeitig im Haushalt aufgenommen werden.

Auf dieser Grundlage konnte allein aus dem vom FG festgestellten Umstand, dass die GmbH von der Stadt S Entgelte nach Tagessätzen erhalten und der Klägerin, die nur ein Pflegekind betreute, ein pauschales Honorar samt einer Aufwandsentschädigung für Sachaufwendungen gezahlt hat, nicht auf eine erwerbsmäßige Pflegetätigkeit der Klägerin geschlossen werden.

16.02.2020 MdC

Anm.: Der Senat führte allerdings auch aus, dass öffentlich-rechtliche Beihilfen i.S. des § 3 Nr. 11 EStG nur uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen sind. Leistungen, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden, sind danach nicht steuerfrei. Auf dieser Grundlage hat der BFH Pflegesatzzahlungen, die für die Unterbringung von Kindern in Einrichtungen i.S. des § 34 SGB VIII gezahlt werden, nicht als steuerfreie Beihilfen i.S. des § 3 Nr. 11 EStG beurteilt. Die Unterscheidung zwischen Leistungen nach § 33 / § 34 SGB VIII wird im Steuerrecht allerdings nicht nach sozialrechtlichen Gesichtspunkten beurteilt. Wir empfehlen hier allerdings immer die Konsultation eines Steuerberaters.


Sitzung mit den für die Einkommensteuer zuständigen Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder

POSTANSCHRIFT Bundesministerium der Finanzen, 11016 Berlin
Nur per E-Mail
Oberste Finanzbehörden
der Länder
nachrichtlich:
Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Bundesministerium für Gesundheit
HAUSANSCHRIFT Wilhelmstraße 97
10117 Berlin
TEL +49 (0) 30 18 682-0
E-MAIL poststelle@bmf.bund.de
DATUM 22. Oktober 2018
BETREFF Einkommensteuerrechtliche Behandlung der Geldleistungen für Kinder in
Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII, für die Erziehung in einer Tagesgruppe nach
§ 32 SGB VIII, für Heimerziehung/Erziehung in sonstiger betreuter Wohnform nach
§ 34 SGB VIII, für die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung nach
§ 35 SGB VIII sowie für die Unterbringung/Betreuung bei Inobhutnahme von Kindern
und Jugendlichen (§§ 42, 42a SGB VIII)
BEZUG Sitzung mit den für die Einkommensteuer zuständigen Vertretern der obersten
Finanzbehörden der Länder vom 25. bis 27. September 2018 (TOP 6 der ESt IV/18)
GZ IV C 3 – S 2342/07/0001 :138
DOK 2018/0797477
(bei Antwort bitte GZ und DOK angeben)

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für in der Vollzeitpflege
(§ 33 SGB VIII), für die Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII), in der Heimerziehung/Erziehung in sonstiger betreuter Wohnform (§ 34 SGB VIII), für die intensive
sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII) nach § 39 SGB VIII vereinnahmte
Gelder zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen, sowie für vereinnahmte Gelder für
die Unterbringung und Betreuung bei Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen
(§§ 42, 42a SGB VIII) Folgendes:
Seite 2 A. Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII)
Die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII dient dazu, einem Kind zeitlich befristet oder dauerhaft im Haushalt der Pflegeeltern ein neues Zuhause zu bieten. Zwischen Pflegeeltern und
Kind soll ein dem Eltern-Kind-Verhältnis ähnliches Band entstehen. Formen der Vollzeitpflege sind die Dauerpflege, die Kurzzeitpflege, die Bereitschaftspflege, die Wochenpflege,
die Sonderpflege sowie die Familienpflege für besonders beeinträchtigte Kinder und
Jugendliche. Auch die Betreuung von Kindern und Jugendlichen im Privathaushalt ausgebildeter Erzieher stellt eine Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII dar (BFH-Urteil
VIII R 29/11 vom 5. November 2014, BStBl 2017 II S. 432).
Im Rahmen der Vollzeitpflege wird Pflegegeld ausgezahlt, welches die materiellen
Aufwendungen und die Kosten der Erziehung abdeckt. Zusätzlich werden anlassbezogene
Beihilfen und Zuschüsse geleistet. Sowohl das Pflegegeld als auch die anlassbezogenen
Beihilfen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln sind steuerfreie Beihilfen im Sinne des
§ 3 Nummer 11 EStG, die die Erziehung unmittelbar fördern, sofern eine Erwerbstätigkeit
nicht vorliegt. Werden mehr als sechs Kinder gleichzeitig im Haushalt aufgenommen, wird
eine Erwerbstätigkeit vermutet. Bei einer Betreuung von bis zu sechs Kindern ist ohne weitere
Prüfung davon auszugehen, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird. Weder die
besondere Qualifikation noch ein in diesem Kontext für eine Familienpflege für besonders
beeinträchtigte Kinder gezahltes bedarfsabhängiges erhöhtes Pflegegeld schließen die
Annahme einer Beihilfe zur Förderung der Erziehung im Sinne von § 3 Nummer 11 EStG
aus.
Die Bestandteile der Vergütungen an Bereitschaftspflegepersonen, die unabhängig von der
tatsächlichen Aufnahme von Kindern geleistet werden, fördern nicht unmittelbar die
Erziehung. Für den Fall, dass sog. Platzhaltekosten und Bereitschaftsgelder gezahlt werden,
sind diese – mit Ausnahme der Erstattungen zur Unfallversicherung und Altersvorsorge –
insoweit steuerpflichtig.
B. Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII)
Die Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe soll die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen durch soziales Lernen in der Gruppe, Begleitung der schulischen Förderung und
Elternarbeit unterstützen und dadurch den Verbleib des Kindes oder des Jugendlichen in
seiner Familie sichern. Die Ausgestaltung der Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe findet
in der Regel in institutionalisiertem Rahmen nach § 32 Satz 1 SGB VIII statt. Die Betreuung
wird von beim Träger angestellten Fachkräften erwerbsmäßig geleistet. Diese Tagesgruppen
als Teil einer Einrichtung unterliegen dem Erlaubnisvorbehalt (§ 45 SGB VIII). Die Einnahmen hieraus sind nicht nach § 3 Nummer 11 EStG steuerfrei.
Seite 3 § 32 Satz 2 SGB VIII ermöglicht die Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe auch in
geeigneten Formen der Familienpflege. Diese Form der spezialisierten Tagespflege nach
§ 32 Satz 2 SGB VIII erfordert, dass die betreuende Person bestimmte pädagogische Voraussetzungen erfüllt. Sie unterscheidet sich daher von der Kindertagespflege nach § 23 SGB VIII.
Die Hilfe nach § 32 Satz 2 SGB VIII bietet über die typische Betreuungs- und Erziehungsform einer Kindertagespflege hinaus vor allem älteren Kindern mit Leistungs- und Verhaltensproblemen Hilfestellung. Wird eine solche Hilfe gewährt, so wird auch der notwendige
Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sichergestellt. Er umfasst
die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen. Bei diesen Geldleistungen der Jugendämter handelt es sich um Beihilfen, die unmittelbar die Erziehung fördern und aus öffentlichen Mitteln geleistet werden. Sie sind daher bei
der Pflegeperson als steuerfreie Einnahme im Sinne des § 3 Nummer 11 EStG zu behandeln.
C. Heimerziehung/Erziehung in sonstiger betreuter Wohnform (§ 34 SGB VIII)
Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer
sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von
Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung
fördern. Das langfristige Ziel dieser Form der Pflege ist – entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung
der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie -, eine Rückkehr in diese Familie zu
erreichen oder – falls dies nicht möglich ist – die Erziehung in einer anderen Familie vorzubereiten oder durch eine auf längere Zeit angelegte Lebensform auf ein selbständiges Leben
vorzubereiten. Zur Heimerziehung und sonstigen betreuten Wohnform können u. a. heilpädagogische oder therapeutische Heime, Kinderdörfer, Kinderhäuser zählen.
Die sozialrechtliche Einordnung entfaltet für die Anwendung des § 3 Nummer 11 EStG,
welche sich an den tatsächlichen Verhältnissen orientiert, keine Tatbestandswirkung. Ob es
sich um eine Betreuung in einer Vollzeitpflegestelle nach § 33 SGB VIII oder in einem Heim
oder in einer sonstigen betreuten Wohnform nach § 34 SGB VIII handelt, bestimmt sich daher
allein nach den tatsächlichen Verhältnissen der konkreten Unterbringung. Sonstige betreute
Wohnformen im Sinne des § 34 SGB VIII sind nur dann gegeben, wenn sie als Einrichtung
einen institutionalisierten Rahmen für die stationäre Betreuung über Tag und Nacht bieten;
lediglich angemietete Wohnungen oder die bloße Überlassung von Wohnraum wie z. B. eines
Zimmers im Haushalt der Betreuungsperson genügen nicht. Unter „Einrichtung“ ist eine auf
eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von sächlichen und persönlichen Mitteln zu einem
bestimmten Zweck unter der Verantwortung des Trägers zu verstehen. Privathaushalte der
Betreuungspersonen sind daher in der Regel keine Einrichtungen im Sinne des § 34 SGB VIII
(BFH-Urteil VIII R 29/11 vom 5. November 2014, BStBl 2017 II S. 432). Ausnahmen
können im Einzelfall z. B. sog. familienangelehnte Wohngruppen darstellen, insbesondere
dann, wenn neben den Pflegeeltern pädagogisch ausgebildete Fachkräfte beschäftigt werden.
Seite 4 Die Erziehung in sonstiger betreuter Wohnform im Sinne des § 34 SGB VIII wird anders als
bei den meisten Pflegefamilien im Sinne des § 33 SGB VIII grundsätzlich durch besonders
qualifizierte Fachkräfte übernommen, sodass diese Form der Erziehungshilfe in diesen
Einrichtungen regelmäßig erwerbsmäßig ausgeübt wird und eine berufliche Tätigkeit der
Betreuungsperson darstellt. Die hierfür gezahlten Gelder sind wegen ihres entgeltlichen
Charakters keine Beihilfen im Sinne des § 3 Nummer 11 EStG und deshalb steuerpflichtig.
Einnahmen einer Betreuungsperson gemäß § 34 SGB VIII für die Pflege, Betreuung, Unterkunft und Verpflegung eines behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen nach
§ 2 Absatz 1 SGB IX sind auch nicht nach § 3 Nummer 10 EStG steuerfrei.
Werden der Betreuungsperson Leistungen für die Bestreitung der Sach- und Unterhaltsaufwendungen des Kindes gezahlt, gilt Folgendes:
Ist die Betreuungsperson freiberuflich (§ 18 Absatz 1 Nummer 1 EStG) tätig, stellen die
Zahlungen für die Bestreitung der Sach- und Unterhaltsaufwendungen des Kindes Betriebseinnahmen dar.
Grundsätzlich sind nur die tatsächlich angefallenen und auch nachgewiesenen Sach- und
Unterhaltsaufwendungen für das Kind als Betriebsausgaben abziehbar. Aus Vereinfachungsgründen ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn statt der tatsächlich angefallenen und nachgewiesenen Betriebsausgaben ein Betriebsausgabenabzug für Sach- und Unterhaltskosten des
Kindes in Höhe der hierfür erhaltenen kinderbezogenen Leistungen geltend gemacht wird.
Der Betriebsausgabenabzug für anderweitige, im Zusammenhang mit der Kindesbetreuung
entstandene Kosten, die keine Sach- und Unterhaltsaufwendungen für das Kind darstellen,
bleibt unberührt.
Soweit die Betreuungsperson als Arbeitnehmer(in) tätig ist, gehört die Zahlung einer Sachund Unterhaltskostenpauschale je Monat und Kind grundsätzlich zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit. Sie kann jedoch aus Vereinfachungsgründen als steuerfreier
Auslagenersatz nach § 3 Nummer 50 EStG behandelt werden, wenn sie den für in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII gezahlten Sätzen entspricht. Die Pauschale gehört in diesem Fall
nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Gleiches trifft auf einmalige Beihilfen zu, die auf
Einzelantrag unter Beifügung eines Nachweises erstattet werden. Korrespondierend dazu
dürfen nach § 3c Absatz 1 EStG die damit abgegoltenen Aufwendungen nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden.
D. Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII)
Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung soll Jugendlichen gewährt werden, die einer
intensiven Unterstützung zur sozialen Integration und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen. Die Hilfe ist in der Regel auf längere Zeit angelegt und soll den individuellen Bedürfnissen des Jugendlichen Rechnung tragen. Adressaten dieser Form der Hilfe sind
besonders belastete oder gefährdete Jugendliche, die Gewalt erlebt haben, Kontakt mit dem
Seite 5 Drogen- und Prostituiertenmilieu haben und z. T. ohne feste Unterkunft oder Arbeit sind bzw.
bereits häufig strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Der Jugendliche wird bei der
Bewältigung persönlicher Krisen, der Gewinnung neuer Perspektiven sowie bei der Alltagsbewältigung in Schule, Ausbildung oder Arbeit durch eine Einzelperson intensiv begleitet.
Dies stellt hohe Anforderungen an die persönliche und fachliche Qualifikation der
Betreuer/Innen. Die Hilfe nach § 35 SGB VIII ist deshalb nicht vergleichbar mit der Hilfe zur
Erziehung in der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII. Aufgrund des Vergütungscharakters der
gezahlten Gelder kommt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 11 EStG nicht in Betracht.
Die Leistungen des Jugendamtes für eine intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung im
Sinne des § 35 SGB VIII sind steuerpflichtige Einnahmen.
E. Leistungen des Jugendamtes über einen zwischengeschalteten Träger der freien Jugendhilfe.
Werden Leistungen nach § 39 SGB VIII an Pflegefamilien/Erziehungsstellen im Sinne des
§ 33 SGB VIII über einen zwischengeschalteten Träger der freien Jugendhilfe geleistet, dann
handelt es sich nur dann um steuerfreie Beihilfen nach § 3 Nummer 11 EStG, wenn der
Pflegeperson das ihr zustehende Pflegegeld vom örtlichen Jugendamt bewilligt worden ist. Es
müssen eindeutige und unmissverständliche vertragliche Regelungen zwischen dem Jugendamt, dem freien Träger und der Pflegeperson/Erziehungsstelle im Sinne des § 33 SGB VIII
bestehen. So muss vertraglich zwischen allen Parteien festgehalten sein, dass das vom
Jugendamt zweckgebunden an den freien Träger ausgezahlte Pflegegeld unverändert an die
Pflegeperson weitergeleitet wird und sich durch diese formale, organisatorische Abwicklung
dem Grunde und der Höhe nach am Pflegegeldanspruch der Pflegeperson nichts ändert.
Außerdem sollten die Pflegepersonen mittels einer Vollmacht erklären, dass sie damit einverstanden sind, dass das örtliche Jugendamt das Pflegegeld über den freien Träger an sie
weiterleitet, d. h. der freie Träger das Pflegegeld lediglich in Empfang nimmt und ihnen
auszahlt. Unter diesen Voraussetzungen gilt die für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung
nach § 3 Nummer 11 EStG erforderliche offene Verausgabung als nach Maßgabe haushaltsrechtlicher Vorschriften und unter gesetzlicher Kontrolle verwirklicht.
Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 11 EStG für Pflegegelder ist
dagegen nicht möglich, wenn freie Träger den örtlichen Jugendämtern Pflegepersonen zur
Verfügung stellen, diese Pflegepersonen betreuen und vergüten und den örtlichen Jugend-
ämtern dann die gezahlten Pflegegelder in Rechnung stellen. Diese Zahlungen erfolgen aus
Mitteln eines nicht öffentlichen Rechtsträgers (z. B. eines eingetragenen Vereins). Es handelt
sich auch dann nicht um öffentliche Mittel, wenn sie aus öffentlichen, für Beihilfen im Sinne
des § 3 Nummer 11 EStG zweckbestimmten Zuwendungen gespeist werden. Insoweit ist
nicht gewährleistet, dass über die Mittel nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften
des öffentlichen Rechts verfügt werden kann und die Verwendung im Einzelnen gesetzlich
geregelter Kontrolle unterliegt.
F. Erstattungen zur Unfallversicherung und Altersvorsorge
Seite 6 Die Leistungen des Jugendamtes umfassen nach § 39 Absatz 4 SGB VIII auch die Erstattung
nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige
Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der
Pflegeperson. Diese Teilbeträge sind nach § 3 Nummer 9 EStG steuerfrei. Das gilt auch dann,
wenn die Geldleistungen an sich steuerpflichtig sind.
G. Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§§ 42, 42a SGB VIII)
Nach § 42 SGB VIII nimmt das Jugendamt unter bestimmten Voraussetzungen ein Kind oder
einen Jugendlichen in seine Obhut und bringt das Kind oder den Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig
unter. Nach § 42a SGB VIII erfolgt eine vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern
und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise. In diesen Fällen gelten für die Unterbringung
und Betreuung die vorstehenden Ausführungen entsprechend.
Dieses Schreiben ersetzt die BMF-Schreiben vom 21. April 2011 (BStBl I S. 487) und vom
27. November 2012 (BStBl I S. 1226). Es ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Im Auftrag
Dieses Dokument wurde elektronisch versandt und ist nur im Entwurf gezeichnet.



Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht 27.02.19 -2019-2K8/19

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 EStG in Grenzfällen zwischen Vollzeitpflege und der Betreuung in einer anderen Einrichtung

| Das FG hatte zu entscheiden, ob im Fall einer aus Ehegatten bestehenden GbR, die in ihrem Haus bis zu sechs Pflegekinder aufgenommen hatte, die gezahlten Pflegegelder aufgrund einer Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei waren oder ob es sich um eine steuerpflichtige Betreuung in einer anderen Einrichtung nach § 34 SGB VIII handelte (FG Schleswig-Holstein 27.2.19, 2 K 8/19, rkr.) |

Das FG stellte für die Beurteilung auf die tatsächlichen Umstände der konkreten Unterbringung ab. Es kam entscheidend auf die Tatsache an, dass die Betreuung den Gesellschaftern der Klägerin persönlich übertragen worden war: Der Dienstleistungsvertrag war mit den beiden Gesellschaftern abgeschlossen worden.

Im Unterschied zu einem Kinderheim, in dem die Betreuung zumindest auch durch ‒ durchaus wechselnde ‒ angestellte Erzieher erbracht werde, seien die Kinder und Jugendlichen im Streitfall eher wie bei einer typischen Pflegefamilie in den persönlichen Haushalt der Gesellschafter der Klägerin eingegliedert gewesen. Die Beschäftigung einer Teilzeitkraft stehe dem nicht entgegen.

Selbst wenn im Sozialrecht eine Einordnung des Streitfalls möglicherweise eher unter § 34 SGB VIII zu erfolgen habe, schlösse dies eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 EStG nicht zwingend aus. Denn der BFH habe ausdrücklich offengelassen, ob bei Mischformen eine Anwendung der Befreiungsnorm in Betracht zu ziehen sein könne (BFH 5.11.14, VIII R 29/11, BStBl II 17, 432, Rz. 62).