Partizipation in Erziehungsstellen
Präambel
Partizipationsmöglichkeiten bewegen sich im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen und gelten spätestens seit dem 8. Jugendbericht als eine der zentralen Strukturmaximen lebensweltorientierter, moderner Jugendhilfe. Partizipation bietet Kinder und Jugendlichen grundsätzlich die Chance zu lernen, sich für ihre Belange einzusetzen und demokratisches Handeln zu erleben. Partizipation ist die grundsätzliche Aufgabe des Betreuungsnetzwerkes, der am Hilfeprozess beteiligten Personen. Das zentrale Gestaltungselement ist dabei das Hilfeplangespräch. Die konkrete Alltagsgestaltung von Partizipation findet in den Familien statt. Ziel unseres „ Eckpunktepapiers“ ist es, die zentralen Punkte der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Erziehungsstellenarbeit zu beschreiben und eine pädagogische, strukturelle und methodische Orientierung für die Mitglieder des AkTEN zu ermöglichen.
Was ist Partizipation
Wikipedia definiert „Partizipation“ wie folgt: „Partizipation (v. lat.: particeps = an etwas teilnehmend; zugehöriges Verb: partizipieren) heißt übersetzt “Beteiligung, Teilhabe, Teilnahme, Mitwirkung, Mitbestimmung, Einbeziehung“. (…) In der Pädagogik versteht man unter dem Begriff der Partizipation die Einbindung von Kindern und Jugendlichen bei allen das Zusammenleben betreffenden Ereignissen und Entscheidungsprozessen. Partizipation ist ein stufenweiser Prozess der Information, Mitsprache, Beteiligung und Selbstbestimmung umfasst und altersentsprechend gestaltet werden muss. „Partizipation bedeutet nicht, ‚Kinder an die Macht’ zu lassen oder ‚Kindern das Kommando zu geben’. Partizipation heißt, Entscheidungen, die das eigene Leben und das Leben der Gemeinschaft betreffen, zu teilen und gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden. Kinder sind dabei nicht kreativer, demokratischer oder offener als Erwachsene, sie sind nur anders und bringen aus diesem Grunde andere, neue Aspekte und Perspektiven in die Entscheidungsprozesse hinein“ (Schröder 1995, S. 14). Die unterste Stufe der Partizipation ist die Information. Kinder und Jugendliche sollen möglichst darüber hinaus altersgerecht informiert, befragt und beteiligt werden, um sich selbstwirksam zu erleben.Partizipation fördert als ein Baustein unseres pädagogischen Handelns die Genese von Selbstvertrauen, internalen Kontrollüberzeugungen und Selbstwirksamkeit, Perspektivenübernahme und dadurch Empathie bei Kindern und Jugendlichen. Unser Ziel ist es, dass Kinder und Jugendliche, die schon früh Teilhabe und Mitbestimmung erleben sich als Erwachsene deutlich mehr für sich und gesellschaftliche Belange engagieren.
Partizipation in Erziehungsstellen
Das Spannungsfeld der Arbeit in Erziehungsstellen ist der professionelle Rahmen im privaten Kontext. Partizipation ist zentrales Gestaltungselement und besondere Herausforderung in Einem in der Erziehungsstellenarbeit. In Erziehungsstellen findet eine beziehungs- und bindungsorientierte Pädagogik statt in familiensystemisch typischen Rollen. Die familiäre Bedingtheit der Arbeit hat in der Ausgestaltung der Partizipation auch einen besonderen Einfluss auf die Umsetzung, z.B. dadurch das Lebenspartner und leibliche Kinder in diesen Prozess einbezogen sind. Wir sehen in den Erziehungsstellen ein größeres Abhängigkeits- und Machtgefälle, zwischen Betreuenden und Kindern als in anderen Betreuungsformen der Jugendhilfe. Deshalb ist hier eine besondere Sensibilität der „Erziehenden“ notwendig. Partizipation bedeutet dabei nicht „Ent-Machtung“ der Betreuungs- und Bezugspersonen, sondern „Be-Achtung“ der Rechte, Interessen und des Schutzbedürfnisses von Kindern oder Jugendlichen und ist damit Kernaufgabe der Erziehungsstellenarbeit. Grundlage für eine gelingende Partizipation in Erziehungsstellen ist die Haltung aller an der Erziehungsstellenarbeit beteiligten Mitarbeiter. Respekt, Wertschätzung und Anerkennung der eigenständigen Persönlichkeit der Kindes und Jugendlichen sind das Fundament ihrer Arbeit. Partizipation ist auch grundlegende Aufgabe der Fachberatung in Zusammenarbeit mit den Erziehungsstellen. Fachberatung unterstützt diesen Prozess durch Reflexion und Begleitung. Die Fachberatung sollte in den regelmäßigen Kontakten in den Erziehungsstellen auch direkte Einzelkontakte zu den betreuten Kindern und Jugendlichen haben und diese so gestalten, das ein Vertrauensverhältnis und Sicherheit aufgebaut werden kann. Fachberatung unterstützt eine gelingende Partizipation beispielsweise ebenso durch Krisenhilfen in den Familien, stetige Reflexion in den Familien von Regeln, Grenzen und Beteiligung und auch durch gemeinsame Kontakte mit Freizeitcharakter in den Familien oder mit mehreren Erziehungsfamilien, etc. Eine spezifische Beschreibung der Art und Weise der Beteiligung muss in den Einrichtungen vorliegen.
Beschwerden
Beschwerden von Kindern und Jugendlichen müssen aufgegriffen und ein Ablauf der Verfahrensweise in der jeweiligen Einrichtung beschrieben werden, damit sicher gestellt wird, dass diese bearbeitet werden. Das Verfahren muss für alle Beteiligten transparent gestaltet werden. Beschwerden müssen pädagogisch erwünscht, erlaubt und gestattet sein. Im Umgang mit Beschwerden und Kritik haben alle Mitarbeitenden in Erziehungsstellen die Aufgabe, eine Kultur der Offenheit und Transparenz zu schaffen. Wir halten in Erziehungsstellen Partizipation auf folgenden weiteren Ebenen der pädagogischen und organisatorischen Arbeit für wichtig:
Bewerbungsverfahren
Folgende Anforderungen bedürfen in einem Bewerberauswahl- und Vorbereitungsverfahren für zukünftige Erziehungsstellen besonderer Aufmerksamkeit und Prüfung: Die sich bewerbenden Erziehungsstellen müssen als „öffentliche Familien“ eine hohe Bereitschaft zur Transparenz und Fähigkeit zur Reflexion mitbringen. Es muss geprüft werden, ob die zukünftige Erziehungsstelle den Anforderungen an eine partizipativ geprägte Grundhaltung gerecht werden kann. Eine Information der BewerberInnen über unsere Grundhaltung zu Kinderrechten muss im Bewerbungs- und Vorbereitungsverfahren sichergestellt werden.
Aufnahmeverfahren und Platzbelegung
Voraussetzung für eine gelingende Aufnahme eines Kindes in eine Erziehungsstelle ist ein Hilfeplanverfahren, das von einer guten Eingangsqualität getragen wird. Alle Beteiligten werden transparent in ein Aufnahmeverfahren mit einbezogen. Die Aufnahme eines Kindes in eine Erziehungsstelle erfolgt mit einer entwicklungsangemessenen Beteiligung des Kindes und mit einer ausreichenden Anbahnungs- und Kennenlernphase. Hier gilt das Motto:“ Das Kind bestimmt das Tempo“. Wenn Jugendamt, Träger und Vormund sich für eine Unterbringung ausgesprochen haben fällt die Erziehungsstelle unter Beteiligung aller ihrer Mitglieder die Aufnahmeentscheidung. Eine Aufnahme gegen den Willen der Erziehungsstelle ist nicht möglich. Vom Erstkontakt an informieren die Erziehungsstelle wie der Träger alle Beteiligten über Möglichkeiten und Grenzen von Partizipation.
Arbeit mit den Herkunftseltern
Die Arbeit mit den Herkunftsfamilien wird von Wertschätzung, Transparenz und vom Mut, Partizipation zu wagen getragen. Erziehungsprozesse in der Erziehungsstelle werden den Herkunftsfamilien transparent gemacht und mögliche Mitsprache- und aktive Beteiligungsmöglichkeiten aber auch Grenzen und Schutzrechte des Kindes werden benannt und eingefordert.
Beendigung von Hilfen
Vor Entlassung aus einer Erziehungsstelle werden die Kinder / Jugendlichen im Rahmen einer Hilfeplanung mit einbezogen. Ihre Wünsche, Planungen und Perspektiven finden Gehör und werden dokumentiert.
Hier der Link zur Homepage des AkTEN: www.ak-ten.de