Medienkonsum von Schülerinnen und Schülern
Schon 2017 zitierte „moses- online“:
„Nach einer neuen Studie der DAK-Gesundheit von Sept. 2017 sitzt fast jeder 5. Schüler täglich mindestens sechs Stunden vor dem Bildschirm – und hat dadurch häufiger Schulprobleme.
Diese Intensivnutzung ist häufig auch mit Schulproblemen verbunden. Das zeigt eine aktuelle Befragung von rund 6.000 Jungen und Mädchen zwischen elf und 18 Jahren, die die Leuphana Universität Lüneburg im Auftrag der Krankenkasse an 25 Schulen in sieben Bundesländern durchgeführt hat.
Bei den 15/16Jährigen sitzen 23 Prozent täglich sechs oder mehr Stunden vor dem Computer oder Fernseher. Sie klagen über Schulunlust und sind unzufriedener mit ihren Schulleistungen.
Schüler von Haupt-, Real- und Regionalen Schulen verbringen die meiste Zeit am Bildschirm.
Die aktuelle Studie „Medienkonsum von Schülerinnen und Schülern“ entstand im Rahmen der DAK-Initiative „Gemeinsam gesunde Schule entwickeln“. Dabei begleitet und berät die Leuphana Universität Lüneburg für die Krankenkasse bundesweit 30 Schulen, die sich für das dreijährige Projekt beworben haben.“
2017 kam eine aktuelle Studie der DAK heraus mit dem Titel:
Whatsapp, Instagram und Co – so süchtig machen Social Media
– eine Befragung von 1001 Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren.
Die Studie im Wortlaut:
Angemessenes Medien u. Konsumverhalten lernen
Für (Pflege)eltern ist es ein harter Job, eine klare Position zu ziehen und Grenzen zu finden, wenn es um die Wünsche ihrer Kinder geht, bezüglich Moden, Kleidung und allerlei Statussymbolen wie Handies , Computer, Playstation etc. Ich habe manchmal das Gefühl, wie ein Dinosaurier – kurz vorm Aussterben – dazustehen, wenn ich mich „steinzeitlich“ gegen die Konsum und Trendkultur meiner Kinder stemme und versuche ein kritisches Bewußtsein für Umweltschutz, Gesundheit, Ernährung und gegen Wegwerf- und Konsumgesellschaft zu wecken. Und doch ist es wichtig und richtig diese Werte zu vertreten und das Gefühl für Verantwortung zu wecken.
Leider macht dieser Kampf mich manchmal auch richtig wütend auf meine Kinder, wenn sie vehement ihre „Welt“ einfordern. Das diese Wut oftmals an die falsche Adresse geht, daran möchte ich durch den folgenden Artikel erinnern. Vielleicht kann ich (können wir?!) diese Wut besser dahin kanalisieren, daß wir die Medien aktiver selber oder sogar mit unseren Kindern zusammen nutzen und uns dabei Stärke und Unterstützung holen sowohl im erzieherischen Alltag als auch im Vertreten kritischen (Umwelt- konsum-) Denkens.
Interview mit Dr. med. Wolfgang Baur „Die neuen Medien aktiv nutzen“
Das ungesunde Leben der Menschen ist gesteuert von Medien, die nur passiv genutzt werden. So wirken sie gesundheitsschädlich und destruktiv. Nur wer sich nicht berieseln lässt, sondern selbst mitmacht, kann Medien positiv nutzen.
„Die Werbung stiftet zu Fehlverhalten an, entzieht sich dann aber der gesellschaftichen Verantwortung .
Abdruck eines Artikels aus dem BUNDmagazin 4/2000 :
BUNDmagazin: Herr Dr. Baur, Sie beschäftigen sich mit Medien-Ökologie. Was ist das eigentlich?
Baur: Ich verstehe darunter die Wirkungen der modernen Medien auf die Menschen, auf ihre Stimmungslagen und Verhaltensweisen, auf Veränderungen, die nicht nur mit der Information selbst zusammenhängen, sondern auch mit dem Wie und dem Wo der Information.
BUNDmagazin: Soweit sich heute Ärzte überhaupt mit Medien befassen, geht es ja meist um Emissionen, also Bildschirm-Strahlung oder chemische Dämpfe aus Computern.
Baur: Ja, das ist der Hardware-Bereich. Ich habe mit Interesse die Abhandlung des BUND über Elektrosmog gelesen, die ich für die beste wissenschaftliche Zusammenfassung zu diesem Thema halte. Es gibt neuerdings auch Empfehlungen, dass Kinder auf keinen Fall Mobiltelefone benutzen sollen, weil hier Veränderungen durch Strahlen im sich entwickelnden Gehirn nachgewiesen worden sind. Diese materiellen Auswirkungen der neuen Medien müssen dringend beobachtet und erforscht werden. Ich betone allerdings mehr die sozialen, vielleicht politischen verhaltenspsychologischen Auswirkungen – Stichwort Reizüberflutung –, die mir Sorgen machen.
BUNDmagazin: Warnungen vor irgendetwas Neuem gibt es ja immer. Die Frage ist: Worin besteht die Substanz?
Baur: Ich habe mich gefragt: Warum hat die Umweltbewegung so große Probleme mit ihrem Aufruf zu ökologischem und gesundem Verhalten? Ich habe mir dann gesagt: Es gibt einen riesigen Produktionsapparat, der gegen die Ideen der Ökologie, der Sparsamkeit, der Enthaltsamkeitvorgeht, nämlich die industrielle Produktion. Und sie bedient sich der medialen Vermittlung.
BUNDmagazin: Zum Beispiel?
Baur: Die ungesunde Ernährung der meisten Menschen. Sie ist kalorienreich, fettreich. Wenn sie aus industrieller Produktion kommt, ist sie mit Risiken wegen der Schadstoffe und Wachstumsunterstützer verbunden und damit Ursache für Herz Kreislauf-Erkrankungen, die Todesursache Nr. 1. Genau diese Ernährung wird medial beworben. Der ökologische Landbau dagegen hat kaum eine Lobby. Die mediale Vermittlung dient nur der Ökonomie, nicht der Ökologie oder einfach der Gesundheit. Ein anderes Beispiel: Alkohol, die Volksdroge. Als Risikofaktor wird er kollektiv verdrängt, als Krankheitsverursacher nicht ernstgenommen. Er ist Ursache vieler Herz-Kreislauf- Todesfälle und Leberzirrhosen. Aber er wird medial beworben, auch durch Sport-Sponsoring. Oder nehmen wir das Rauchen. Aktiv und passiv ist Rauchen Krebsursache und Ursache von chronischer Bronchitis. Aber Tabakwerbung ist medial stark vertreten.
BUNDmagazin: Es wird international diskutiert, ob es sinnvoll und möglich ist, die Werbung für Suchtmittel einzuschränken oder zu verbieten.
Baur: Das ist bei uns noch nicht angekommen. Ich nenne noch ein Beispiel, den Straßenverkehr mit seinen täglichen Unfällen. Viele junge Menschen kommen auf der Straße um. Sehen Sie sich die Werbung an: Das Auto wird medial stark beworben. Die Werbung animiert zu risikoreichem Fahren mit mehr PS, breiteren Reifen, höheren Geschwindigkeiten.
BUNDmagazin: Also Autowerbung verbieten?
Baur: Es geht mir nicht nur um einzelne Produkte. Es geht um die Leitbilder, um Persönlichkeitsbilder der Werbung ganz allgemein. Medial wird ein erfogreicher, moderner Mensch mit Haus, Auto, Zigarette und Alkohol, Flug- Ferien und hohem Verdienst dargestellt. Die Wirklichkeit ist für die meisten Leute ganz anders. Daran zerbrechen Seelen – bis hin zu Selbstmorden.
BUNDmagazin: Und das wollen Sie ändern?
Baur: Wir müssen erst einmal die Bedeutung dieser Situation, dieser medialen Umweltverschmutzung erkennen. Die Werbung stiffet zu Fehlverhalten an, entzieht sich dann aber der gesellschaftlichen Verantwortung. Schließlich wird das individuelle Fehlverhalten, das eigentlich medial in Gang gesetzt worden ist, noch als schuldhaft angeprangert. Und für die Folgen kommen die Opfer der Werbung und die ganze Gesellschaft auf. Mediale Vermittlung sollte umgestaltet werden in positive Vermittlung von gesundem Verhalten. Eigentlich müssten die Medien Werte vermitteln: Ernährung ohne Schadstoffe, ohne Fette, mit Vitaminen, weniger Zucker. Weniger Alkohol ist mehr im Sinne von Genuss. Die Werbung für Tabak müsste minimiert werden. Das Thema Verkehr sollte von seiner Dienstleistungsfunktion her behandelt werden, nicht aus der Lust- und Risiko-Perspektive. So-lange aber das Fehlverhalten medial ver-stärkt wird, wird die Wirklichkeit nur krank- machender.
BUNDmagazin: Da haben wir nun gedacht, die neue Medienwelt sei ein Fortschritt, und wir steuern besseren Zeiten zu .
Baur: Ich sehe durchaus die Vorteile der kommunikativen Vernetzung der Welt. Aber ich denke, das wird uns sowieso immer angepriesen, und der andere Teil, den ich so betone, wird eher verniedlicht, vernachlässigt, und wenn’s negative Ergebnisse gibt, sogar verschwiegen.
BUNDmagazin: Das heißt, sie finden an der modernen Kommunikationstechnik die Möglichkeit des Miteinanders, des Vernetzens und des Gesprächs positiv und die Einweg-Kommunikation der Werbung und des versuchten Handlungssteuerns durch die Wirtschaft negativ?
Baur: Ja, das ist eine gute Zusammenfassung. Aber das steht nicht gleichwertig nebeneinander. Auf internationalen Kongressen wird von Programmen, Gruppen, Untersuchungen im Verbund, Vernetzung usw. berichtet. Überall sitzen kompetente Menschen zusammen und diskutieren Programme, Pläne, Ziele, schreiben Papiere. Aber die beklagte Wirklichkeit bleibt gleich. Sie wird nur medial vernetzt und damit nur virtuell bearbeitet.
BUNDmagazin: Der Alltag ist anders.
Baur: Ja. Der normale Mensch gestaltet sein Leben so, dass er eher zur Ozonschädigung beiträgt, zur Klimaerwärmung, zum Verkehrsinfarkt, als dass er solche Entwicklungen bremst. Der Mainstream geht so. Und da können kritische Organisationen mahnen und warnen und schreiben und sich vernetzen, der Mainstream ändert sich nicht. Die Medien unterstützen das.
BUNDmagazin: Die Tatsache, dass es Organisa-ionen wie den BUND oder den Ökologischen Ärztebund gibt, beweist aber, dass es außer dem Mainstream noch andere Strömungen gibt.
Baur: Aber kleinere.
BUNDmagazin: Halten Sie es für ausgeschlossen, dass die kleinen Strömungen mal der Mainstream werden? Und was sind eigentlich die Bedingungen dafür? Oder ist das völlig ausgeschlossen?
Baur: Das traue ich mich nicht zu sagen. Ich bin kein Zukunftsforscher, kein Hellseher. Meine Befürchtung ist, dass erst die Katastrophe den Wandel einleitet.
BUNDmagazin: Es gibt in der Geschichte immer wieder die Situation, dass einzelne Menschen immer zahlreicher bewusst handeln und dann das Ganze umkippt in eine Entwicklung. Der BUND versucht das, indem er zum Beispiel die Leute animiert, den Strom vom Solarstromhändler zu beziehen. Wenn das viele machen, müsste das ja Wir-kung zeigen. In den USA hat die Konsumentenbewegung durch Boykotts ja auch schon enorme Wirkung gehabt.
Baur: Ich glaube wohl, dass es in Einzelfeldern solche Erfolge geben kann. Aber wenn man sich das ganze Land anschaut, sieht es trotzdem schlimm aus. Bei uns im Tennisklub gibt es Leute, Chemiedirektoren, die sagen: Es gibt kein Ozonloch. Können Sie sich sowas vorstellen? Ich dachte, ich hör’ nicht recht. Viele kümmert es eben leider nicht groß, sondern sie leben ihr Normalleben.
BUNDmagazin: Und was sollen wir jetzt tun?
Baur: Die Medien nicht passiv, sondern aktiv nutzen, soweit es eben möglich ist. Es gibt gewiss auch Chancen. Jede Veränderung der Wirklichkeit setzt eine gedankliche Phase voraus, die durch die neuen Medien in nie gekannter Geschwindigkeit transportiert werden kann. Es wäre Aufgabe einer aktiven Kommunikationsökologie, für diesen positiven Nutzungsaspekt eine Lobby zu finden.
Bundmagazin: Herr Dr.Baur, vielen Dank.
Das Gespräch führte Jürgen Räuschel
Copyright bei Bundmagazin (4/2000)
Ich bedanke mich bei Herrn Räuschel für die Genehmigung zur Veröffentlichung.